Zeitbilder 5, Schulbuch

und ließ sie von Dolmetschern be- treuen. Hinweise in Quellen deuten an, dass manche Gesandte auf ihren Reisen wohl auch als Spione tätig waren. Die Reisen des Marco Polo Der berühmteste Reisende des Mit- telalters ist Marco Polo (1254–1324). Ein Zeitgenosse nannte ihn „Marco den Venezianer, den größten Reisen- den und aufmerksamsten Beobach- ter, den man je gekannt hat“ (Pietro d‘Abano, 1303). Er wurde um das Jahr 1254 vermutlich in Venedig geboren und gilt als der eigentliche „Entdecker Asiens“. Von 1271 bis 1295 bereiste er das Mongolenreich einschließlich Chinas sowie weite Teile Südost- und Südasiens. Marco Polo verbrachte insgesamt 18 Jahre in Asien, 17 davon in China. Dort war er als Diplomat des Herrschers, des Khublai Khan, tätig. Nach seiner Rückkehr schrieb er seine Erinne- rungen an seine Reisen und seinen Aufenthalt in Asien nieder. Dieses Buch wurde unter dem Titel „Die Wunder der Welt“ oder „Il Milione“ bekannt. Das Werk kann als Mi- schung von Reiseführer, Unterhal- tungs- und Sachbuch betrachtet werden. Marco Polo verstand sein Buch durchaus auch als Leitfaden für die Kaufleute seiner Heimatstadt. Es stieß auf großes Interesse und wurde in ganz Europa verbreitet. Seit den Zügen Alexanders des Gro- ßen hatte man in Europa nur unbe- stimmte, eher märchenhafte Vorstel- lungen von Asien. Im 13. Jahrhun- dert war es zu einer großen Verän- derung gekommen: Am Beginn des Jahrhunderts hatten die Mongolen unter der Führung Dschingis Khans in Ostasien ein großes Reich ge- gründet. Es erstreckte sich von Chi- na bis nach Russland und Persien. Als die Mongolen 1241 in der Schlacht bei Liegnitz ein deutsch-polnisches Heer besiegten, fühlte man sich in Europa ernsthaft bedroht. Wenige Jahre danach schickte Papst Innozenz IV. Gesand- te zum Mongolenherrscher. Franzis- kaner und Dominikaner sollten ge- nauere Informationen über die Mon- golen einholen. Sie sollten auch die Chancen für eine Christianisierung dieses Volkes erkunden. Dazu kam es zwar nicht, aber Europa erhielt über die Gesandten wichtige Infor- mationen. Auch Abgesandte des französischen Königs und Kaufleute bereisten asiatische Gebiete. Ihre Berichte und die von einzelnen eu- ropäischen oder auch muslimischen Reisenden hatten großes Interesse und Faszination für den Fernen Osten bei den Gebildeten, aber auch bei Kaufleuten ausgelöst. Schon vor Marco Polo hatten also Europäer im Mittelalter Asien be- reist. Er war aber der Erste, der eine Vorstellung von ganz Asien vermit- telte: Auf der Hinfahrt bereiste er den Kontinent nämlich auf dem Landweg, auf der Rückreise wählte er den Seeweg. Marco Polo wurde in eine Familie von Kaufleuten und Reisenden hin- eingeboren. Sein Vater Niccoló und sein Onkel Matteo, beide Juwelen- händler aus Venedig, brachen 1260 zu einer langen Reise auf. Sie woll- ten am Unterlauf der Wolga Dia- manten verkaufen. Ihre Geschäfts- reise führte sie auch auf die Krim, schließlich gelangten sie über den Ural und entlang der Seidenstraße bis nach Buchara (heute Usbeki- stan). Durch Kriegswirren an der Rückreise gehindert, blieben sie drei Jahre dort. Sie gelangten dann 1266 nach einjähriger Reisezeit an den Hof des Mongolenherrschers, des Großkhans Kublai, nach Peking. Die Mitglieder der Familie Polo waren die ersten Westeuropäer, die der Khan je zu Gesicht bekommen hat- te. Er interessierte sich für die wirt- schaftliche und politische Ordnung in Europa. Der Khan beauftragte die Polos, dem Papst eine Botschaft zu überbringen. Diese enthielt auch die Bitte, ihm gesalbtes Öl aus dem Je- susgrab in Jerusalem zu schicken. 1269 trafen die Polos wieder in Venedig ein. 1271 brachen sie wieder zu einer Reise auf – diesmal in Begleitung des 17jährigen Marco. In Jerusalem besorgten sie das vom Khan erbete- ne Öl und reisten anschließend nach Schangdu (China), wo sie den Khan in einer Sommerresidenz trafen. Dieser fand Gefallen an Marco Polo und ernannte ihn zu seinem Ge- sandten. In den folgenden Jahren bereiste er weite Gebiete. Marco Polo zeigte großes Interesse und Wissbegierde an der asiatischen Gesellschaft. Er machte sich inner- halb kurzer Zeit mit fremden Sitten und Sprachen vertraut. Der Groß- khan erkannte die Fähigkeiten des kaum erwachsenen Marco Polo und schickte ihn mit wichtigen Missio- nen in entfernte Provinzen: L Geschickt und umsichtig entle- digt sich der junge Mann sei- ner Aufgabe. Es war ihm nämlich nicht entgangen, dass der Groß- khan diejenigen Gesandten, die bei ihrer Rückkehr aus fernen Län- dern nur über ihren Auftrag und nichts über Land und Leute berich- teten, für dumm und beschränkt hielt. Er hatte gemerkt, dass dem Herrscher die Mission wohl wichtig war, ihm aber Nachrichten über Zustände, Ereignisse und Lebens- gewohnheiten in den bereisten Ge- bieten noch wichtiger waren. (Ohler, Reisen im Mittelalter, 1986, S. 323) Erkläre die Gründe, warum Marco Polo vom Großkhan geschätzt wurde. In seinem Buch beschrieb Marco Polo die verschiedenen Regionen des Kontinentes. Dabei ging er auf Sprache, Bevölkerung, Lage, Religi- on, politische Ordnung, größere Städte und Ressourcen ein. Dazwi- schen streute er Anekdoten, Be- schreibungen von Städten und Men- schen. Im Zentrum seines Buches aber steht die Herrschaft des Khublai Khan. Aus der Perspektive eines Kaufmannes beschrieb Marco Polo auch für Europa begehrenswerte Handelsprodukte wie Baumwollstof- fe, Seidenkleider, Edelsteine, Porzel- lan usw. Er zeigte sich interessiert an Transportmitteln, Verkehrswegen, Währungen und die Gewohnheiten asiatischer Händler: Q Und am Ufer (des Persischen Golfes) gibt es eine Stadt, die Cormos (Hormuz) genannt wird, die einen Hafen hat, und ich sage Euch, dass die Händler von Indien dorthin kommen, mit Schiffen, die beladen sind mit Gewürzen und Edelsteinen und Perlen, und mit Seidengewändern und solchen aus Gold, und mit Elefantenzähnen […]. Es gibt dort Kaufleute, die die- se Waren dann in die ganze Welt bringen […]. Querschnitt 134 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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