Zeitbilder 5, Schulbuch

bildete die Verfolgung im Zusammenhang mit dem Auf- treten der Pest („Pestverfolgungen“, 1348–1351). Nach Auffassung der neueren Forschung waren im Jahr 1096 religiöser Fanatismus und Misstrauen gegen die andere (= jüdische) Religion die Hauptgründe für die Verfolgung. In den späteren Verfolgungen kamen Fan- tasien wie „Ritualmordlegenden“ „Brunnenvergiftun- gen“ oder „Hostienschändung“ dazu. Neben der Ver- unglimpfung der Jüdinnen und Juden als vermeintliche „Christen- und Gottesmörder“ war der Vorwurf der „Wucherei“ immer ein Hauptgrund für die Verfolgung. Ausgrenzung durch die Kirche Von Seiten der Kirche gab es seit der Spätantike Vor- schriften zur Vermeidung sozialer Kontakte zwischen Christen und Juden. Auf dem 4. Laterankonzil (1215) verstärkte man diese Ausgrenzungspolitik. Jüdinnen und Juden (und Sarazenen) wurden z. B. verpflichtet, eine gesonderte Kleidung zu tragen (z. B. den Judenhut). Ihnen war nicht erlaubt, an den christlichen Festen teil- zunehmen; in der Karwoche durften sie ihre Häuser nicht verlassen. Diese kirchlichen Vorschriften gingen im Verlauf des 13. Jh. auch in weltliche Gesetzesvor- schriften ein (z. B. Sachsenspiegel). Sie wurden aber zu- nächst kaum befolgt. Aus dem alltäglichen Leben wird nämlich von vielfältigen konfliktfreien Kontakten zwi- schen Christen und Juden berichtet. Erst im 15. Jh. setz- te sich die besondere Kennzeichnung, z. B. mit einem „gelben Fleck“ („Schandfleck“) durch.  Ein jüdischer Arzt und sein Patient, Holzschnitt, Augsburg (1487). Das vielleicht bekannteste Gebiet jüdischer Berufsausübung außerhalb des Geldgeschäftes stellt zweifellos die Medizin dar. Schon im Frühmit- telalter genossen jüdische Ärzte einen ausgezeichneten Ruf; ein aussa- gekräftiges Beispiel ist das dem Salzburger Erzbischof Arn (798–821) zugeschriebene Briefformular, in dem dieser einen Grafen bittet, ihm einen jüdischen Arzt aus dem slawischen Gebiet zu schicken, um den zuvor schon ein anderer Bischof gebeten hatte. Auch die bauliche Absonderung ihrer Wohngegenden durch eigene Gassen oder Stadtviertel wurde in jener Zeit üblich (Ghettoisierung). Dies war in den Städten al- lerdings unterschiedlich ausgeprägt. Juden in Österreich Im 13. Jh. nahm die Zahl der jüdischen Gemeinden im Reich stark zu (um 1200: ca. 30; um 1300: ca. 350). Viele Neugründungen erfolgten auch in landesfürstlichen Städten. Deshalb erließen die Landesfürsten „Judenord- nungen“. Der österreichische Herzog Friedrich II. erließ als erster deutscher Fürst eine solche im Jahr 1244. Da- mit schützte er einerseits die Jüdinnen und Juden. An- dererseits gewann er den Anspruch auf ihre Abgaben. Von den „Pestverfolgungen“ (1348–51) blieben die jüdi- schen Gemeinden in Österreich verschont. Eine Folge davon war, dass die jüdischen Gemeinden in Wien und Wiener Neustadt die letzten Zentren jüdischer Gelehr- samkeit im Reich blieben. Jüdische Gelehrte befassten sich seit alters her haupt- sächlich mit der Erforschung und Anwendung des „gött- lichen Rechts“ (Halacha), aber auch mit Vorschriften jüdischer Traditionen und jüdischen Brauchtums. Denn ihrer Auffassung nach verwirklicht sich das Wort Gottes nicht allein in den religiösen Schriften (Thora, Talmud), sondern auch im Leben des von Gott auserwählten Vol- kes. Die heiligen Schriften waren in hebräischer Sprache abgefasst, die auch die Sprache der Liturgie war. 1420/21 wurden unter Herzog Albrecht V. Jüdinnen und Juden gezielt verfolgt. Diese Ereignisse werden in der Geschichtsschreibung als „Wiener Gesera“ bezeichnet. Sie war nach der Pestzeit die größte und blutigste Ver- folgung. In Wien und in ca. 20 weiteren Orten in Öster- reich wurden mehrere hundert Jüdinnen und Juden er- mordet, hingerichtet, ausgeplündert und vertrieben. Die Schuldbriefe wurden verbrannt. Wie schon bei den bisherigen Verfolgungen im Reich wurden im Laufe des 15. Jh. die Jüdinnen und Juden der meisten Gemeinden in Länder Osteuropas vertrieben – nach Polen, Ungarn oder Russland. Aber auch dort wa- ren sie vor Anfeindungen nicht immer sicher. Fragen und Arbeitsaufträge 1. Recherchiere, wo und wann Jüdinnen und Juden in deiner Stadt/deiner Umgebung gelebt haben. Ermittle, ob es dort noch heute eine jüdische Gemeinde bzw. Erinnerungen an sie gibt (z. B. einen jüdisches Fried- hof, Denkmäler). 2. Jüdinnen und Juden immittelalterlichen Europa waren eine Minderheit. Arbeite Probleme heraus, mit welchen Auslän- derinnen und Ausländern oder Minderheiten heute oftmals umgehen müssen. Nehme dazu Stellung. 3. Ermittle in einem politischen Lexikon (z. B. www.politik-lexi- kon.at) die Begriffe „Antijudaismus“ und „Antisemitismus“. Diskutiert in der Klasse darüber, was euch zur Thematik „Judentum im 20. Jh.“ bzw. zu „Holocaust“ aus dem bishe- rigen Geschichtsunterricht bekannt ist. Das Mittelalter – eine 1000-jährige Epoche 117 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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