Zeitbilder 5, Schulbuch

11. Kirche und Kaisertum – die zwei Mächte des Mittelalters 11.1 Papsttum und Kaisertum sind vielfach verwoben Das Reich und die Kirche waren seit den Karolingern eng miteinander verknüpft: Der Papst krönte den frän- kischen König zum Kaiser, zum Universalherrn. Als Ge- genleistung bot der Kaiser dem Papst und der Kirche seinen Schutz. Diese Machtbalance war dann gefährdet, wenn eine der beiden Parteien sich zu sehr in den Bereich der anderen einmischte. Dabei ging es immer wieder auch um die Frage, wem welches Recht – z. B. bei der Einsetzung der Bischöfe (Investitur) – zusteht. Das Papsttum verfällt An der Wende vom 9. zum 10. Jh. setzte ein ungeheuer- licher Verfall des Papsttums ein. Er währte mit Ausnah- men nahezu bis zum Ende des 10. Jh. und hatte erschüt- ternde Tiefpunkte aufzuweisen. Die päpstliche Autorität ging weitgehend verloren. L So ließ etwa Papst Sergius III. (904–911) seine bei- den Vorgänger im Kerker erdrosseln. Oder Johan- nes XII. (955–964), ein unreifer Jüngling von kaum zwanzig Jahren, behielt auch als oberster Hirte der Christenheit seine Lebensgepflogenheiten bei [...]. Jagd, Weiber, Gelage, das waren die Liebhabereien dieser traurigen Gestalt auf dem päpstlichen Stuhl. (Seppelt, Geschichte der Päpste, Bd. 2, 1955, S. 362) Der hohe Klerus – Diener zweier Herren Im Reich selbst bedienten sich die Könige bzw. die Kai- ser der Bischöfe und Äbte. Diese vertraten und unter- stützten als Lehensmänner den König und führten ne- ben der geistlichen auch die weltliche Aufsicht in ihren Herrschaftsbereichen (Reichskirchensystem; vgl. S. 91). Der König hielt sich für berechtigt, in den Bistümern, Kirchen und Klöstern, die er stiftete, Bischöfe, Äbte und Priester seiner Wahl einzusetzen (= „Eigenkirchen- recht“). Q Als der Bischof von Lüttich gestorben war (1018), kamen die Geistlichen des Domkapitels zum Kö- nig, zeigten ihm den Tod ihres Bischofs an und baten den König, einen neuen Bischof einzusetzen. (Monumenta Germaniae Historica, Scriptores VIII, 267, gekürzt) Reichsbischöfe und Reichsäbte hatten somit zwei Herren zu dienen: dem Papst und dem König. Da es der König war, der ihnen ihr Amt zukommen ließ und der durch sein Heer und seine Politik mehr Macht als der Papst im fernen Rom auszuüben vermochte, gehorchten Bischöfe und Äbte meist dem König. Somit verlor das Papsttum im Reich und in der Kirche des Reiches zunehmend an Bedeutung. Sein Einfluss blieb bis in die Mitte des 11. Jh. nahezu ausschließlich auf Rom beschränkt. Trotz des Reformwillens der meisten Kaiser und Könige waren durch die Laieninvestitur (Einsetzung von Kleri- kern durch die Könige [Laien]) immer wieder auch de- ren Günstlinge zu Bischöfen und Äbten geweiht worden. Diese nutzten das Klostergut und die bischöfliche Stel- lung für ihre privaten Zwecke und führten oftmals ein sehr weltliches Leben. Außerdem war es üblich gewor- den, geistliche Ämter nur gegen Geldzahlungen zu ver- geben (Simonie). Die Reformpartei setzt sich durch Maßgeblich unterstützt durch die Reformen von Cluny setzte innerhalb der Kirche nachhaltiger Widerstand ge- gen die Eingriffe der Laien in kirchliche Angelegenhei- ten ein. Insgesamt sollte die Kirche von den Anstößigkeiten der „Welt“ befreit werden. Auch die Ehelosigkeit der Pries- ter (= Zölibat) und die Zucht in den Klöstern sollten in diesem Zusammenhang umgesetzt werden. Wenn sich nun in der Kirche die Reformpartei durchsetz- te, musste das den Einflussbereich des Kaisers schmä- lern.  Hier werden der Papst (links) und der Kaiser (rechts) von Christus mit dem Schlüssel, dem Symbol für geistliche Macht, und mit dem Schwert, dem Symbol für die weltliche Macht, belehnt. Beide Mächte sind hier gleichrangig dargestellt. Beide sind für das „Funktionieren“ der Welt wich- tig. (Französische Buchmalerei aus dem 13. Jh.) 100 Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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