Zeitbilder 7/8, Arbeitsheft

7 Kindheit und Jugend im Wandel 7.2 Kinderrechte | Anfang 20. Jh. – Gegenwart Die Sorge um das Wohl des Kindes ist ein Anliegen, das prinzipiell alle Kulturen dieser Welt teilen. In der alltägli- chen Wirklichkeit hingegen sind gerade die Kinder als die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft oftmals viel- fältigen Formen der Unterdrückung, Ausbeutung und Gewalt ausgeliefert. Nach den verheerenden Auswirkungen der Kinderarbeit im 19. Jh. und den Folgen des Ersten Weltkrieges für die Lebenssituation der Kinder in Europa wurde– ausgehend von London– im Jahr 1920 ein internationaler Kinder- hilfsfonds in Genf gegründet. 1924 veröffentlichte er die „Genfer Erklärung über die Rechte des Kindes“. Sie war international nicht verbindlich. Erst im Jahr 1989 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen das völker- rechtlich verbindliche „Übereinkommen über die Rechte des Kindes“ (UN-Kinderrechtskonvention = UN-KRK) beschlossen. Alle Mitgliedsstaaten außer Südsudan und die USA haben dieses Abkommen unterzeichnet. Öster- reich hat es 1992 ratifiziert 1 . In Österreich wurden mit dem „Bundes-Verfassungsgesetz über die Rechte von Kin- dern“ im Jahr 2011 zentrale Bestimmungen der UN-KRK in den Verfassungsrang gehoben. In jedem Bundesland ist eine Kinder- und Jugendanwaltschaft (http://www.kija.at) eingerichtet, um Probleme bei der Einhaltung von Kinderrechten und Anregungen zu deren Verbesserung aufzuzeigen. Jugendliche in schwierigen Situationen kön- nen sich direkt an sie wenden. M1 Bis ins 20. Jh. galten Kinder vorrangig als Besitztum ihrer Eltern. Mit der UN-KRK werden Kinder erstmals in völkerrechtlich verbindlicher Form als Personen mit eigenen Rechten anerkannt. Sie umfasst 54 Artikel. Artikel 1 definiert, wer nach der UN-KRK als „Kind“ zu gelten hat: Artikel 1 - Geltung für das Kind; Begriffsbestimmung Im Sinne dieses Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit die Volljährigkeit nach dem auf das Kind anzuwendenden Recht nicht früher eintritt. (Übereinkommen über die Rechte des Kindes; online auf: http:// www.kinderrechtskonvention.info/uebereinkommen-ueber-die-rechte- des-kindes-370/; 10.3.2017) M2 Die Erziehungswissenschaftlerin Rita Braches-Chyrek fasst die einzelnen Bereiche, welche die UN-KRK an- spricht, auf folgende Weise zusammen: –– „Survival Rights“ – Rechte auf Leben und auf größtmögliche Chance zum Überleben, Nahrung, Wohnen und medizinische Grundversorgung; –– „Protection Rights“ – Anerkennung des Rechts auf eine eigene Identität sowie des grundsätzlichen Rechts auf beide Eltern; Schutz vor Diskriminie- rung, Ausbeutung und willkürlicher Trennung von der Familie; Schutz vor jeglicher Form von Gewalt­ anwendung einschließlich sexuellen Missbrauchs; –– „Provision Rights“ – Verpflichtung des Staates, für ausreichende Bildungsangebote, Gesundheitsvor- sorge etc. zu sorgen; –– „Development Rights“ – Rechte auf angemessene Entwicklung, Spiel, Erziehung und Bildung; –– „Participation Rights“ – Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; umfassende Rechte auf freie Meinungsäußerung, Mitsprache und Kritik. Hier- zu zählt auch das Recht auf politische Beteiligung: Politik nicht nur für Kinder, sondern mit (unter der Beteiligung von) Kindern. Kritisch wird zur UN-KRK angeführt: ökologische Kinderrechte sind nicht ausdrücklich verankert; spe- zifische Probleme von Mädchen werden nicht thema- tisiert; es sind keine Garantien für eine den Kindern entsprechende Durchsetzung der Rechte vorgesehen. (Braches-Chyrek, Rita: Kinderrechte: Politiken und Perspektiven. In: Soziale Passagen 3/2010, S. 3–77; Zusammenfassung d. A.) M3 Die 17-jährige Malala Yousafzai engagierte sich unter Einsatz ihres Lebens für das Recht aller Kinder, vor allem aber für die Mädchen in Pakistan, auf Bildung und Schulbesuch. Sie wurde dafür gemeinsam mit dem Inder Kailash Satyarthi, der gegen Ausbeutung von Kindern auf dem Arbeitsmarkt kämpft, im Jahr 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. ** Cornelius Poppe/EPA /picturedesk.com M4 Das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern (2011) besteht aus sieben Artikeln. Artikel 1, 2, 4 und 6 können unter bestimmten Bedingungen beschränkt werden, z. B. dann, wenn das zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist. Für Artikel 5 hingegen gilt das nicht: Artikel 5 (1) Jedes Kind hat das Recht auf gewaltfreie Erzie- hung. Körperliche Bestrafungen, die Zufügung seeli- schen Leides, sexueller Missbrauch und andere Misshandlungen sind verboten. Jedes Kind hat das Recht auf Schutz vor wirtschaftlicher und sexueller Ausbeutung. (2) Jedes Kind als Opfer von Gewalt oder Ausbeu- tung hat ein Recht auf angemessene Entschädigung und Rehabilitation. Das Nähere bestimmen die Ge- setze. 1 (Bundesverfassungsgesetz über die Rechte von Kindern. BGBl. I Nr. 4/2011, Art.5) 1 Für Österreich in Kraft gesetzt 50 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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