Zeitbilder 7/8, Arbeitsheft

6 Friedenssicherung und Menschenrechte 6.1 Die „Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“ 1975 in Helsinki und die „Charta 77“ | 1970er-Jahre Die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) begann im September 1973 in Helsinki und endete dort im August 1975. An ihr nahmen 35 Staaten teil; darunter – mit Ausnahme Albaniens – alle damaligen europäischen Staaten (inklusive der Türkei) sowie die USA und Kanada. „Sicherheit“ wurde zu diesem Zeitpunkt in Europa vor allem auch unter militärischen Gesichtspunkten gesehen. Es existierten noch die beiden militäri- schen Bündnisse der NATO und des Warschauer Paktes. Daraus erklärt sich, warum auch die USA und Kanada – als Mitglieder der NATO – auf dieser Konferenz vertreten waren. Das neuerliche Bekenntnis zu den Menschen- rechten, wie sie 1948 in der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ durch die Vereinten Nationen festge- halten worden waren, war in Helsinki ebenfalls ein zentrales Thema. Es wurde in der „Schlussakte“ bestätigt (vgl. Zeitbilder 8, S. 85 bzw. Zeitbilder 7/8, S. 211). Die Schlussakte unterzeichneten auch die damaligen kommunistischen Regierungen in Europa; so auch jene der Tschechoslowakei. Dies nahm eine Gruppe um den Schriftsteller Vaclav Havel zum Anlass, ein Manifest zu verfas- sen: die Charta 77. Die Zahl 77 bezog sich auf das Jahr 1977. Dieses Jahr galt als das „Jahr der politischen Gefan- genen“ und es fand die erste Nachfolgekonferenz von Helsinki in Beograd statt. Sie sollte den Stand der Umset- zung der Beschlüsse von Helsinki prüfen. M1 In der Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa heißt es in der „Erklärung über die Prinzipien, die die Beziehungen der Teilneh- merstaaten leiten“ zu den Menschenrechten und Grundfreiheiten u.a.: Die Teilnehmerstaaten werden die Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedankens-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder Religion achten. Sie werden die wirksame Ausübung der zivilen, politischen, kultu- rellen sowie der anderen Rechte und Freiheiten, die sich alle aus der dem Menschen innewohnenden Würde ergeben und für seine freie und volle Entfal- tung wesentlich sind, fördern und ermutigen. In die- sem Rahmen werden die Teilnehmerstaaten die Frei- heit des Individuums anerkennen und achten, sich allein oder in Gemeinschaft mit anderen zu einer Re- ligion oder einer Überzeugung in Übereinstimmung mit dem, was sein Gewissen ihm gebietet, zu beken- nen und sie auszuüben. (…) Die Teilnehmerstaaten anerkennen die universelle Bedeutung der Men- schenrechte und Grundfreiheiten, deren Achtung ein wesentlicher Faktor für den Frieden, die Gerech- tigkeit und das Wohlergehen ist, die ihrerseits erfor- derlich sind, um die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen ih- nen sowie zwischen allen Staaten zu gewährleisten. Auf dem Gebiet der Menschenrechte und Grundfrei- heiten werden die Teilnehmerstaaten in Überein- stimmung mit den Zielen und Grundsätzen der Char- ta der Vereinten Nationen und mit der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte handeln. Sie werden ferner ihre Verpflichtungen erfüllen, wie diese fest- gelegt sind in den internationalen Erklärungen und Abkommen auf diesem Gebiet, soweit sie an sie ge- bunden sind, darunter auch in den internationalen Konventionen über die Menschenrechte. (Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Schluss- akte, Helsinki 1975. Der vollständige Text ist online nachzulesen auf: https://www.osce.org/de/mc/39503?download=true; 27.5.2015) M2 In der Charta 77 wird von den Verfasserinnen und Ver- fassern auf die Schlussakte von Helsinki Bezug genom- men und folgendes festgehalten: In the Czechoslovak Register of Laws No. 120 of Octo- ber 13, 1976, texts were published of the International Covenant on Civil and Political Rights, and of the Inter- national Covenant on Economic, Social and Cultural Rights, which were signed on behalf of our republic in 1968, reiterated at Helsinki in 1975 and came into force in our country on March 23, 1976. From that date our citizens have enjoyed the rights, and our state the du- ties, ensuing from them. (…) We accordingly welcome the Czechoslovak Socialist Republic´s accession to tho- se agreements. Their publication, however, serves as a powerful reminder of the extent to which basic human rights in our country exist, regrettably, on paper alone. The right to freedom of expression (…) is in our case purely illusory. Tens of thousands of our citizens are prevented from working in their own fields for the sole reason that they hold views differing from official ones, and are discriminated against and harassed in all kinds of ways by the authorities and public organizations. (…) Freedom of public expression is inhibited by the centralized control of all the communication media and of publishing and cultural institutions. No philoso- phical, political or scientific view or artistic activity that departs ever so slightly from the narrow bounds of of- ficial ideology or aesthetics is allowed to be published (…) no public defense is possible against false and insulting charges made in official propaganda. (…) Re- sponsibility for the maintenance of rights in our country naturally devolves in the first place on the political and state authorities. Yet not only on them: everyone bears his share of responsibility for the conditions that pr- evail and accordingly also for the observance of legally enshrined agreements, binding upon all individuals as well as upon governments. (… ) (Charta 77. In: The Times vom 7. Jänner 1977 (authorisierte Überset- zung); Der vollständige Text ist online nachzulesen auf: http:// lcweb2.loc.gov/frd/cs/czechoslovakia/cs_appnd.html; 27.5.2015) 42 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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