Zeitbilder 7/8, Arbeitsheft

4 Lokale, regionale und globale Wahrnehmungen 4.1 Von der Sommerfrische zu Fernreisen | 1900 – Gegenwart Adelige hielten sich bereits seit Jahrhunderten im Sommer auf ihren Landgütern auf, von deren Erträgen sie leb- ten. Sie weilten nur im Winter in der (Residenz-)stadt. Seit dem 19. Jh. verließen oft auch wohlhabende Bürgerfa- milien im Sommer die Hitze der Stadt und übersiedelten (meist mit einem großen Teil des Hausrates und den meisten Dienstboten) aufs Land zur „Sommerfrische“. Vielfach blieb allerdings der Vater, der der Arbeit nicht wochenlang fernbleiben konnte, in der Stadt und besuchte seine Familie nur an den Wochenenden. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in den Wirtschaftswunderjahren, änderte sich dieses Verhalten: Urlaub in Italien am Strand wurde für weite Bevölkerungsschichten Mitteleuropas erschwinglich, tiefe Bräune der Haut zeigte, dass man sich ebenfalls einen Italienurlaub leisten konnte. Lebensstandard und Flugverkehr nahmen zu: Von nun an waren Reiseziele auf der ganzen Welt für sehr viele Menschen erreichbar. Zwei Strömungen entstanden: An- hänger des Massentourismus und Menschen, die fremde Kulturen „fernab von ausgetretenen Touristenpfaden“ erleben wollten. M1 Josef Maria Auchentaller: „Seebad Grado. Österreichi- sches Küstenland“, Plakat 1906 (Druck: Albert Berger, Wien). ** Anonym/ Imagno / picturedesk.com M2 Postkartenidylle: das Palace Hotel und das Grand Hotel Erzherzog Johann. Semmering, Niederösterreich, 1915. ** Postkarte, Motiv: Palace Hotel und Grand Hotel Erzherzog Johann. am Semmering (NÖ). 1915. Imagno / picturedesk.com M3 In der österreichischen Tageszeitung „Die Zeit“ wurden 1918 Schwierigkeiten während des Ersten Weltkrieges thematisiert: Die Wienerinnen und Wiener sind überarbeitet, ge- reizt, unterernährt und kriegsmüde, sie zwingen sich „mit dem Aufgebot aller Willenskraft die notwendi- gen Leistungen” ab. (Die Zeit, 18.5.1918) Nicht nur die unlösbare Verköstigungsfrage fesselt uns an das eigene Heim, auch die Verkehrsverhält- nisse zwingen uns, das Weichbild der Stadt nicht zu verlassen. Die Südbahn, die bisher alljährlich in der Osterzeit die Hauptfrequenz fand, scheidet diesmal vollkommen aus. (…) In der abgelaufenen Woche wurden zu den einzelnen Südbahnfernzügen nur noch je 40 bis 50 Fahrkarten an Zivilpassanten ausge- geben, alle anderen Plätze mußten für den militäri- schen Verkehr reserviert bleiben. (Die Zeit, 26.3.1918) Aber auch die Gäste, die auf den Semmering kom- men, sorgen für Aufsehen: „Die Frauen und Mäd- chen haben sich eine neue Mode zurechtgelegt; sie steigen mit Vorliebe nur mehr in Hosen auf die Rax. Das soll wohl fesch sein, wirkt aber doch mehr brutal oder lächerlich, jedenfalls ist es sportlich unorga- nisch empfunden, denn eine Hosentouristin auf dem Thörlweg (…) wirkt doch ungefähr so wie ein Mensch, der im Strandtrikot längs des Donaukanals spazieren gehen wollte.” (Die Zeit, 16.8.1918) (Die Zeit, Tageszeitung vom 6. Oktober 1894– 31. August 1919) 28 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des V rlags öbv

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