Zeitbilder 7/8, Arbeitsheft

M3 Seit 1994 berät die Militärhistorische Denkmalkom- mission das Verteidigungsministerium bei der Errich- tung militärischer Gedenkstätten. Ihre stellvertretende Leiterin, Dr. Heidemarie Uhl, beschreibt den Wandel der Erinnerungskultur: Entscheidend für die Neuorientierung der militäri- schen Erinnerungskultur war (…) der Paradigmen- wechsel im Umgang mit der NS-Vergangenheit (…) In den Nachfolgestaaten des Dritten Reiches – Deutsch- land und Österreich – wurde nun die Frage nach der Mitverantwortung der Wehrmacht für die Verbrechen des NS-Regimes in neuer Form gestellt (…) Vor dem Hintergrund dieser veränderten Sichtweise auf den Zweiten Weltkrieg traten Tendenzen der Ver- harmlosung, wenn nicht Rechtfertigung der national- sozialistischen Kriegspolitik durch problematische Kriegerdenkmäler, Gedenkfeiern, Gedenktafeln, Eh- rengräber etc. nun umso deutlicher hervor. Immer wieder entzündeten sich Debatten und Konflikte, auf lokaler, regionaler wie auf staatlicher Ebene (…) Die Errichtung von örtlichen Kriegerdenkmälern ging zumeist auf eine Initiative von Kameradschafts- verbänden zurück. Das 1955 begründete Bundesheer war in die „Heldengedenkfeiern” eingebunden (…) Es ging aber nicht nur um Abgrenzung zu problema- tischen Gedenkfeiern, sondern auch um die aktive Einbeziehung von Opfern des Nationalsozialismus in das Totengedenken. Erste einzelne Initiativen sind bereits Anfang der 1980er Jahre zu verzeichnen, Ein- gang in die offizielle Traditionspflege fanden sie erst Mitte der 1990er Jahre (…) Das Gedenken an den militärischen Widerstand ge- gen das NS-Regime zählte zu den ersten Anregun- gen, die an die Kommission herangetragen wurden. In den Nachkriegsjahrzehnten fand der militärische Widerstand keine Würdigung, „im Gegenteil: man sah im Widerstand eine Verletzung zweier elementa- rer Pflichten des Soldaten: des Gehorsams und des geleisteten Eides” (…) Das Bundesheer hat sich die Entwicklung von zeitge- mäßen Formen des Erinnerns und Gedenkens zur Aufgabe gemacht, die einem Heer, das in der trans- nationalen, an der Gewährleistung der Menschen- rechte orientierten Verteidigungs- und Sicher- heitspolitik in Europa verankert ist, angemessen sind. (Uhl, Heidemarie: Auf dem Weg zu einer neuen militärischen Gedenk- kultur. In: Binder, Dieter A. /Uhl, Heidemarie (Hg.), 20 Jahre Militär- historische Denkmalkommission, 1994– 2014, Eine Bilanz, Wien 2014, S. 45–52) M4 Aus dem „Traditionserlass“ des BM für Landesverteidi- gung (2001): A usgehend von dem Grundsatz, dass Tradition wert- bezogene Auswahl aus der Geschichte ist, bieten sich für das Bundesheer als traditionsbildende Ele- mente folgende Bereiche der österreichischen Mili- tärgeschichte an: –– Das Bundesheer der Zweiten Republik (einschließ- lich der B-Gendarmerie) mit seinen nationalen und internationalen Einsätzen, –– die Streitkräfte der Ersten Republik, –– die k.(u.)k. Armee, –– die Garnison, die Waffengattung und das Bundesland. Das Dritte Reich als ein Unrechtsregime und die Deutsche Wehrmacht als dessen missbrauchtes In- strument können Tradition im Bundesheer nicht be- gründen, da sich der Dienst in den österreichischen Streitkräften der Zweiten Republik an den Grund- prinzipien der österreichischen Verfassung und des Völkerrechtes orientiert. Wohl können aber vorbild- hafte und im Einzelfall zu prüfende Verhaltenswei- sen von Österreichern in der Deutschen Wehrmacht und von Männern und Frauen des proösterreichi- schen Widerstandes ein Element der Traditionspflege sein. (BMLV / Verlautbarungsblatt 1, 53. Folge, 2001, Nr. 117, S. 599) M5 Am „Tag der Menschenrechte“, am 12. Dezember 2005, wurde im Eingangsbereich der Grazer Belgierka- serne dieser Gedenkstein enthüllt. In der ehemaligen SS-Kaserne wurden in den letzten 5 Kriegswochen mehr als 200 Menschen ermordet. Der Großteil davon waren jüdische Ungarinnen und Ungarn, dazu kamen noch österreichische Widerstandskämpferinnen und -kämpfer, Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter sowie alliierte Kriegsgefangene. ** Gedenkstein beim Eingangstor der Belgierkaserne in Graz, Foto, 2015. © Alois Scheucher Online-Ergänzungen xg6q3n 19 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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