Zeitbilder 5/6, Arbeitsheft

Moderne Staaten entstehen 4 4.2 Nationale Geschichtsbilder | 19. Jahrhundert – Gegenwart Zu den Symbolen eines Staates zählt auch die jeweilige Nationalhymne. Sie zeigt, welche Werte und Geschichts- bilder in einer Nation entworfen wurden. Heute ist es üblich, bei Staatsbesuchen oder bei sportlichen „Länder- kämpfen“ die Nationalhymnen der beteiligten Staaten abzuspielen. Aber auch bei wichtigen öffentlichen Ereig- nissen, wie zum Beispiel bei Staatsbegräbnissen oder am Nationalfeiertag, ist die Nationalhymne zu hören. Oft sind auch militärische Zeremonien damit verbunden. Eine Nationalhymne besteht aus einer Melodie und – von wenigen Ausnahmen abgesehen – aus einem Text. Sie soll die Identität einer Nation widerspiegeln und ist daher Ausdruck des nationalen Selbstverständnisses. Herr- schende und Repräsentanten von Staaten ließen Hymnen anfertigen, um die Bindung der Bevölkerung an sie zu vertiefen bzw. um erwünschte politische Haltungen zu stärken. Kam es im Laufe der Geschichte zu einem gesell- schaftlichen Wandel oder einem Wechsel der politischen Verhältnisse oder der Staatsform, so zeigt sich das auch in Textänderungen oder der Einführung einer neuen Hymne. Die Analyse einer Nationalhymne kann daher sehr aufschlussreich sein. M1 In der Habsburgermonarchie gab es ab 1797 die „Österreichischen Kaiserhymnen“. Der Text wurde dem jeweils amtierenden Kaiser gewidmet und daher bei einem Thronwechsel geändert, immer aber nach der von Joseph Haydn komponierten Melodie gesungen. Die deutsche Nationalhymne (siehe M3) basiert ebenso auf dieser Haydn-Komposition. Der Text der ab 1854 gesungenen Kaiserhymne stammt von J. G. Seidl, umfasste 6 Strophen und blieb bis zum Untergang der Monarchie 1918 in der österreichischen Reichshälfte gültig. (1) Gott erhalte, Gott beschütze Unsern Kaiser, unser Land! Mächtig durch des Glaubens Stütze Führ‘ er uns mit weiser Hand! Laßt uns seiner Väter Krone Schirmen wider jeden Feind: Innig bleibt mit Habsburgs Throne Österreichs Geschick vereint. (2) Fromm und bieder, wahr und offen Laßt für Recht und Pflicht uns stehn, Laßt, wenn‘s gilt, mit frohem Hoffen Mutvoll in den Kampf uns gehn! Eingedenk der Lorbeerreiser, Die das Heer so oft sich wand, – Gut und Blut für unsern Kaiser, Gut und Blut fürs Vaterland! (3) Was des Bürgers Fleiß geschaffen Schütze treu des Kriegers Kraft; Mit des Geistes heitren Waffen Siege Kunst und Wissenschaft! Segen sei dem Land beschieden, Und sein Ruhm dem Segen gleich: Gottes Sonne strahl‘ in Frieden Auf ein glücklich Österreich! (4) Laßt uns fest zusammenhalten: In der Eintracht liegt die Macht; Mit vereinter Kräfte Walten Wird das Schwerste leicht vollbracht. Laßt uns Eins durch Brüderbande Gleichem Ziel entgegengehn; Heil dem Kaiser, Heil dem Lande: Österreich wird ewig stehn! (…) (Seidl, Johann Gabriel: Österreichische Volkshymne. Nach der Melodie von Haydn. Durch Allerhöchstes Handbillett Sr. k. k. Apostol. Majestät vom 27. März 1854 als authentisch erklärter Text. Online auf der Inter- netseite des „Projektes GutenbergDe“: http://gutenberg.spiegel.de/ (5. 9. 2014)) M2 1947 wurde die österreichische Bundeshymne mit einem Beschluss des Ministerrates offiziell eingeführt. Die Melodie stammt von Johann B. Holzer (1753– 1818). Der Hymnentext, den die Regierung nach einem Wettbewerb auswählte, besteht aus einem Gedicht von Paula Preradović. Er war bis Ende 2011 gültig. Im Jahre 2012 kam es zu einer „geschlechtergerechten Ände- rung“ der österreichischen Bundeshymne. (Die zwei Stellen, die davor anders lauteten, wurden in Klammern [ ] dazu gesetzt.) (1) Land der Berge, Land am Strome, Land der Äcker, Land der Dome, Land der Hämmer, zukunftsreich! Heimat großer Töchter und Söhne, [Heimat bist du großer Söhne] Volk, begnadet für das Schöne, vielgerühmtes Österreich. Vielgerühmtes Österreich. (2) Heiß umfehdet, wild umstritten, liegst dem Erdteil du inmitten einem starken Herzen gleich. Hast seit frühen Ahnentagen hoher Sendung Last getragen, vielgeprüftes Österreich. Vielgeprüftes Österreich. (3) Mutig in die neuen Zeiten, frei und gläubig sieh uns schreiten, arbeitsfroh und hoffnungsreich. Einig laß in Jubelchören, [Einig laß in Bruderchören] Vaterland, dir Treue schwören, vielgeliebtes Österreich. Vielgeliebtes Österreich. (Österreichische Bundeshymne, Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich I Nr. 127/2011. Online auf: http://www.ris.bka.gv.at (5. 9. 2014)) 36 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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