Treffpunkt Deutsch 4, Leseheft

Umgang mit Texten 58 „Wir essen sonst donnerstags immer auswärts, wissen Sie, und jetzt habe ich kein Gemüse im Haus.“ „Und was ist mit Fleisch, Mrs. Malo- ney?“ „Fleisch habe ich, danke. Eine schöne Lammkeule aus der Kühltruhe.“ […] Er neigte den Kopf zur Seite und sah sie wohlgefällig an. „Na, und der Nachtisch? […] Wie wär’s mit einem schönen großen Stück Käsekuchen? Den isst er doch gern, nicht wahr?“ „Ja, das ist ein guter Gedanke. Auf Käsekuchen ist er ganz versessen.“ Als alles eingewickelt war und sie bezahlt hatte, verabschiedete sie sich mit ihrem freundlichsten Lächeln. […] Und jetzt, sagte sie sich auf dem Heimweg, jetzt kehrte sie zu ihrem Mann zurück, der auf sein Abendessen wartete. […] Und wenn sie beim Betreten des Hauses etwas Ungewöhnli- ches vorfinden sollte, etwas Unheimliches oder Schreckliches, dann würde es natürlich ein Schock für sie sein. Verrückt würde sie werden vor Schmerz und Entsetzen. Wohlge- merkt, sie erwartete nicht, etwas Derartiges vorzufinden. Sie ging nur mit ihren Einkäufen nach Hause. […]. So ist es recht, ermunterte sie sich. Benimm dich natürlich, genauso wie immer. Lass alles ganz natürlich an dich her- ankommen, dann brauchst du nicht zu heu- cheln. So summte sie denn ein Liedchen vor sich hin und lächelte, als sie durch die Hinter- tür in die Küche trat. „Patrick!“ rief sie. „Ich bin wieder da, Liebling.“ Sie legte das Paket auf den Tisch und ging ins Wohnzimmer. Und als sie ihn dort sah, auf dem Boden zusam- mengekrümmt, einen Arm unter dem Körper, da war es wirklich ein Schock. Die Liebe und das Verlangen nach ihm wurden von neuem wach, und sie lief zu ihm hin, kniete neben ihm nieder und weinte bittere Tränen. Es war nicht schwer. Sie brauchte nicht zu heucheln. Ein paar Minuten später stand sie auf und ging zum Telefon. […] Als sich der Wacht- meister vom Dienst meldete, rief sie: „Schnell! Kommen Sie schnell! Patrick ist tot! […] Er liegt auf dem Boden, und ich glaube, er ist tot.“ „Wir kommen sofort“, sagte der Mann. Der Wagen fuhr gleich darauf vor. Sie öffnete die Haustür, und zwei Polizisten traten ein. Beide waren ihr bekannt – wie fast alle Beam- ten des Reviers –, und sie fiel hysterisch wei- nend in Jack Noonans Arme. Er setzte sie sanft in einen Sessel und ging dann zu seinem Kol- legen O’Malley hinüber, der neben dem Leich- nam kniete. „Ist er tot?“, flüsterte sie. „Ich fürchte, ja. Was ist geschehen?“ Sie erzählte kurz ihre Geschichte – wie sie zum Kaufmann gegangen war und Patrick bei der Rückkehr leblos auf dem Boden gefunden hatte. Wäh- rend sie sprach, weinte und sprach, entdeckte Noonan etwas geronnenes Blut am Hinterkopf des Toten. Er zeigte es O‘Malley, und der stürzte sofort zum Telefon. Bald erschienen noch mehr Männer. Zuerst ein Arzt, dann zwei Detektive […]. Später kam ein Polizei- fotograf und machte Aufnahmen; auch ein Experte für Fingerabdrücke traf ein. […] Sie berichtete, wie sie das Fleisch in den Ofen ge- schoben hatte – „es ist immer noch drin“ –, wie sie wegen der Kartoffeln und der Erbsen zum Kaufmann gelaufen war und wie sie Pat- rick bei der Rückkehr leblos auf dem Boden gefunden hatte. „Welcher Kaufmann?“, fragte einer der Detektive. Sie sagte es ihm. Er drehte sich schnell um und flüsterte dem anderen Detektiv etwas zu. Der Mann verließ sofort das Haus. Nach einer Viertelstunde kam er mit einer Seite Notizen zurück. Wieder wurde leise verhandelt, und durch ihr Schluchzen hin- durch drangen ein paar Satzfetzen an ihr Ohr: „… hat sich völlig normal benommen … sehr vergnügt … wollte ihm ein gutes Abendessen machen … Erbsen … Käsekuchen … unmög- lich, dass sie…“ Kurz darauf verabschiedeten sich der Fotograf und der Arzt; zwei Männer traten ein und trugen die Leiche auf einer Bahre fort. […]. Die beiden Detektive aber blieben da, die beiden Polizisten ebenfalls. Sie waren ausgesprochen freundlich zu ihr. […] Sie blieb also sitzen, während die Männer das Haus durchsuchten. […]. Manchmal sprach Jack Noonan ihr sanft zu, wenn er vorbeikam. Von ihm erfuhr sie auch, dass ihr Mann durch einen Schlag auf den Hinterkopf getötet worden war, durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand, 184 186 188 190 192 194 196 198 200 202 204 206 208 210 212 214 216 218 220 222 224 226 228 230 232 234 236 238 240 242 244 246 248 250 252 254 256 258 260 262 264 266 268 270 272 274 276 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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