Treffpunkt Deutsch 4, Leseheft

Umgang mit Texten 48 »Nein, das mag ich nicht.« »Gefalle ich dir nicht?«, fragte der Junge herausfordernd. Eva ließ ihn stehen, drehte sich um und ging zur Theke. Eine Gruppe von Jungen und Mädchen stand dort herum, Bierflaschen in der Hand. »Lasst mal Michels Braut durch«, rief ein Rothaariger. Die anderen lachten. Eva ärgerte sich, als sie merkte, dass sie rot wurde. »Michel, deine Frau sucht dich!«, sagte der Rothaange. Eva wäre am liebsten unsichtbar gewesen. […] »Mama«, sagte Eva und legte das Buch auf den Tisch. »Kannst du nicht für mich mal an- ders kochen? Ich würde gern ein bisschen ab- nehmen, wenn es geht.« Die Mutter schaute erstaunt auf. »Wieso? Hat dein Freund etwas gesagt?« Eva schüttelte den Kopf. »Nein, nicht des- wegen. Aber ich finde mich zu dick.« »Aber du siehst doch gut aus«, sagte die Mutter. »Und dass du so schwer bist, das hast du vom Papa.« »Und vom Essen.« Eva wollte das Buch schon wieder nehmen, es wäre einfa- cher gewesen und es ging ihr nicht mehr wirk- lich um die Diät, doch sie dachte an die Heim- lichkeiten, an die verborgene Scham, und redete weiter: »Ich glaube ja auch nicht, dass ich dünn werde. Aber ausprobieren möchte ich es gern und ich will es nicht heimlich tun. Ich will nicht mehr heimlich essen und nicht mehr heimlich hungern. Nein, hungern will ich überhaupt nicht mehr. Aber wir könnten doch mal probieren, ein bisschen anders zu essen.« […] Und Eva schaute: Sie sah ein dickes Mäd- chen, mit dickem Busen, dickem Bauch und dicken Beinen. Aber sie sah wirklich nicht schlecht aus, ein bisschen auffällig, das schon, aber nicht schlecht. Sie war dick. Aber es musste doch auch schöne Dicke geben. Und was war das überhaupt: schön? Waren nur die Mädchen schön, die so aussahen wie die auf den Fotos einer Modezeitschrift? Worte fielen ihr ein wie langbeinig, schlank, rassig, schmal, zierlich. Sie musste lachen, als sie an die Frau- en auf den Bildern alter Meister dachte, voll, üppig, schwer. Eva lachte. Sie lachte das Mäd- chen im Spiegel an. Und da geschah es. […] Sie lachte, sie konnte nicht mehr aufhören zu lachen, lachte in Franziskas erstauntes Ge- sicht hinein und sagte, während ihr das La- chen fast die Stimme nahm: »Wie ein Som- mertag sehe ich aus. So sehe ich aus. Wie ein Sommertag.« 114 116 118 120 122 124 126 128 130 132 134 136 138 140 142 144 146 148 150 152 154 156 158 160 162 164 166 168 Schreibe in deinen eigenen Worten auf, was in den Textausschnitten passiert. Du kannst deine Version kurz halten. Besprich mit deiner Sitznachbarin oder deinem Sitznachbarn, wie sich Eva und Michel fühlen könnten. Welche Eindrücke wollen sie jeweils beim anderen hinterlassen? Was könnte sie kränken? Informiert euch im Internet zum Thema „Essstörungen“ (z. B. Erscheinungsformen, Ursachen etc.) und zeitgenössische Schönheitsideale von menschlichen Körpern. Was ist eine Binge-Eating- Störung? Schreibt eure Erkenntnisse stichwortartig nieder. Eva und Michel haben versprochen, einander zu schreiben, wenn sie getrennt sind. Jede bzw. jeder von euch soll einen der beiden Parts übernehmen. Wie könnten diese Briefe lauten? Versucht, euch in die Lage von Eva und Michel zu versetzen. 1  N C 2  B 3  N C 4  B N Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verl gs öbv

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