Treffpunkt Deutsch 4, Leseheft

Umgang mit Texten Rick Noack Partnerbörse Erst gruscheln, dann kuscheln Das Internet ist die Probebühne für die erste Liebe. Noch nie war das Spiel vom Bauchkribbeln bis zum Schlussmachen so vielseitig wie heute – und so öffentlich. Emma ist zwölf, findet Hasen süß - und natürlich ihren Freund. Bis zu vier Stunden verbringt sie am Tag im Internet. „Das ist schon noch okay“, findet sie. Manchmal postet ihr 13-jähriger Freund ein Herzchen auf ihre Facebook-Pinnwand, dann drückt sie auf „Gefällt mir“. Kennen- gelernt haben sich die beiden in der Schule, doch das Internet spielt in ihrer jungen Beziehung eine große Rolle. Daran, was passiert, wenn sie einmal nicht mehr zusammen sind, hat das Mädchen noch nicht gedacht. Es wird vermutlich so aussehen: Die Herzchen verschwinden von der Pinnwand. Emma ändert bei Facebook ihren Beziehungsstatus. Ihre rund hundert Freunde sehen dann eine Nachricht, die so lautet: „Emma ist ‚Single ‘“. Es wird alles sehr schnell gehen: Innerhalb von Minuten werden ihre Freundinnen aufmunternde Kommentare schreiben, zumindest wenn es nette Freundinnen sind. Internetportale wie der Marktführer Facebook oder das an Popularität verlierende schülerVZ haben die Rituale der ersten Liebe sehr verändert. Rund ein Drittel aller 12- bis 13-Jährigen ver- fügt über einen eigenen Internetzugang, die meisten anderen nutzen die Zugänge von Eltern, Geschwistern oder Freunden. Nur zwölf Prozent ihrer Online-Zeit suchen sie nach Informationen, dagegen fällt fast die Hälfte dem Austausch mit anderen zu. „Das liegt vor allem daran, dass das Netz schneller als ein Brief ist. Da wird einmal geklickt, und die Nachricht ist weg. Und Flirten im Internet ist in gewisser Weise an sich schon sexy“, sagt Eva Lia Wyss, Sprachwissenschaftlerin am Deutschen Seminar der Universität Zürich, die sich mit der Entwicklung der Liebeskommunikation beschäftigt. „Wer nicht mitmacht, ist schon ein Spießer“ […] „Einerseits wird unser herkömmliches Verständnis der Liebe entwertet“, sagt Torsten Siever von der Leibniz Universität Hannover. Das liege vor allem daran, dass soziale Netzwerke mit Begriffen wie „Beziehung“, „Freunde“ und „Heiraten“ sehr spielerisch umgehen. Bei Facebook genügen ein paar Mausklicks, um sich vom Single in einen verheirateten Partner zu verwandeln. „Andererseits war es für Kinder nie so leicht wie heute, erste Erfahrungen mit der Liebe zu machen“, sagt Siever. Das Internet helfe Schüchternen, ihre Beziehungen zu pflegen. Florian wohnt im Berliner Stadtteil Marzahn. Hier trifft er sich oft mit anderen im Kinder- und Jugendhaus „Bolle“. Wie viele Freundinnen er schon geküsst hat? „Ich habe irgendwann aufge- hört zu zählen“, sagt Florian laut. Die Mädchen im Raum lachen kurz, einige werfen ihm einen verträumten Blick zu. Auf dem weißen Sofa neben dem 15-Jährigen sitzt Julienne, zwölf Jahre alt. Auch sie sagt, dass sie aufgehört habe zu zählen. „Das wirkt wie eine Trophäe.“ Schließlich verrät sie dann doch: Zwölf Freunde habe sie bereits gehabt. Mit einigen habe sie sich geküsst, mehr sei jedoch nicht geschehen. Ob Julienne wirklich schon mit so vielen Jungs zusammen war, wissen auch ihre Freundinnen nicht. Dass man bei Facebook, Jappy oder schülerVZ angemeldet ist, wird allgemein erwartet. Florian weiß, warum: „Wer nicht mitmacht, ist schon ein Spießer.“ Herzschmerz – Merkmale trivialer (unterhaltender) Literatur 34 Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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