Treffpunkt Deutsch 2, Leseheft

Umgang mit Texten Da ließ Odysseus den angespitzten Prügel aus dem Tiermist heraussuchen und hielt seine Spitze ins Feuer, bis sie glühend war. Zu sech- sen schulterten sie dann den Prügel, und auf das Kommando des Odysseus rannten sie ge- gen den Riesen an und rammten ihm die Spit- ze in sein einziges Auge. Polyphem fuhr auf, vor rasenden Schmerzen brüllend. Geblendet tappte und stampfte er in der Höhle umher, die Griechen zu fangen. Aber sie flutschten unter seinen Pranken hin- durch und er konnte nicht einen von ihnen fassen. Sein schreckliches Schmerzensgebrüll hatte je- doch die anderen Kyklopen angelockt und sie erschienen vor des Polyphems Höhle. „Was brüllst du so herum, Polyphem?“, riefen sie mit Donnerstimme. „Wer hat dir denn was getan?“ „Niemand, Niemand“, schrie der geblendete Polyphem. „Dann halt gefälligst dein Maul“, sagten die andern Kyklopen, „und stör nicht unsere Nachtruhe.“ Als Polyphem aber noch weiter brüllte, gingen sie achselzuckend von dannen und sagten zueinander: „Unser Brüderchen Polyphem ist verrückt geworden …“ 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 Als der Morgen graute, geschah, was Odysseus erwartet hatte. Polyphem wälzte zwar den Stein vom Höhleneingang fort, setzte sich aber selber an den Ausgang und betastete mit den Händen den Boden, damit er jeden erwische, der hinauswolle. Doch als sich die Tiere ins Freie zu drängen begannen, fasste Odysseus einen Plan. Er und seine Gefährten hielten ei- nige Tiere zurück. Dann band Odysseus seine Freunde unter die Schafe, so dass sie unter dem Bauch der Tiere hingen. Darauf trieb er die Schafe hinaus. Polyphem merkte nichts. Er betastete nur den Rücken der Tiere. Jetzt waren nur noch Odys- seus und ein einziger großer Widder in der Höhle. Odysseus krallte sich im Fell des Wid- ders fest und hing sich ebenfalls unter ihn. Anbinden konnte ihn niemand mehr. So pas- sierte er mit dem Widder als Letzter den Aus- gang. Polyphem hatte wohl gemerkt, dass der Wid- der das letzte Tier seiner Herde war, das die Höhle verlassen hatte. So stand er auf, wälzte den Stein wieder vor die Höhle, nicht ohne dass er vorher noch einmal mit seiner riesigen Faust in das Innere gedroht hatte, wo er den Odysseus und seine Gefährten ja noch immer vermutete. Dann tappte er auf unsicheren Bei- nen seinen Tieren nach. Die befreiten Grie- chen aber rannten […] zu ihrem Schiff. Am Ufer fielen sie auf die Knie und dankten den Göttern für ihre Rettung. Dann legten sie ab. Als sie aber schon auf dem Meer waren, er- blickten sie den Polyphem inmitten seiner Herde. Da packte den Odysseus der Übermut. Er trat ans Heck des Schiffes und schrie hinü- ber ans Ufer: „Hallo, Polyphem, hier spricht Niemand. Und wenn dich deine Brüder fragen sollten, wer dich geblendet hat, dann antworte: Odysseus sei es gewesen, der schlauer war als du.“ Als Polyphem das hörte, brüllte er auf vor Zorn […] und flehte seinen Vater Poseidon an, den Odysseus zu bestrafen. Und Poseidon hörte sein Flehen. So kam es, dass die Irrfahrt des Odysseus noch lange kein Ende nahm. 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 Bei den Kyklopen – Fortsetzung Teil 2 48 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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