Treffpunkt Deutsch 4, Arbeitsheft

Lies den Text „Schnell gelebt“ von Kurt Kusenberg und bestimme anschließend die Art der im Text markierten Adverbialsätze in der Tabelle auf S. 50. Kurt Kusenberg Schnell gelebt 1 Schon als Kind erregte er Verwunderung. Er wuchs wie aus der Pistole geschossen und gab das Wachsen ebenso plötzlich wieder auf. Beim Sprechen verhaspelte er sich, weil die Gedanken den Worten entliefen; er war blitzschnell in sei- nen Bewegungen und wurde oft gleichzeitig an verschiedenen Orten gesehen. Alljährlich über- sprang er eine Schulklasse; am liebsten hätte er sie alle übersprungen. Aus der Schule entlassen, nahm er eine Stel- lung als Laufbursche an. Er war der einzige Laufbursche, der je gelaufen ist. Von seinen Bo- tengängen kehrte er so rasch wieder zurück, dass man nicht annehmen konnte, er habe sie wirklich ausgeführt, und ihn deshalb entließ. Er warf sich auf die Kurzschrift und schrieb bald fünfhundert Silben in der Minute. Trotz- dem mochte kein Büro ihn behalten, denn er datierte die Post um Wochen vor und gähnte gelangweilt, wenn seine Vorgesetzten zu lang- sam diktierten. Nach kurzem Suchen, das ihn endlos dünkte, stellte man ihn als Omnibusfahrer ein. Mit Schau- dern dachte er später an diese Tätigkeit zurück, die darin bestand, einen fahrenden Wagen fort- während anzuhalten. Vor ihm winkten Straßen- fluchten, die zu durcheilen genussvoll gewesen wäre. An den Haltestellen aber winkten Leute, die einsteigen wollten, und ihnen musste er folgen. Eines Tages aber achtete er der Winkenden nicht, sondern entführte den Omnibus in ra- sender Fahrt weit über die Stadt hinaus; so fand auch diese Betätigung ein Ende. Der Fall kam in die Zeitungen und erregte die Aufmerksamkeit sportlicher Kreise. Seine Laufbahn zum Renn- fahrer war ein einziger Triumphzug. Große Fir- men rissen sich um seine Gunst; die geldkräf- tigste siegte, sie machte ihn zum Teilhaber. In leitender Stellung bewährte er sich und war ein gefürchteter Verhandlungsführer, der seine Gegner verwirrte und überrannte. Wenige Stunden nach dem Entschluss, einen Hausstand zu gründen, hielt er umdie Olympia- siegerin im Hundertmeterlauf an, jagte mit ihr vom Stadion in das Standesamt und erzwang eine Schnellheirat. Gleiche Neigungen verban- den sich zu einzigartigen Leistungen. Die junge Frau setze alles daran, hinter ihm nicht zurück- zustehen. Sie erledigte ihre häuslichen Pflichten mit dem Zeitraffer, trug imWinter schon Som- merkleider und gebar vor der Zeit, nämlich mit fünf Monaten, ein Kind, das schon in der Wiege fließend sprach und das Laufen noch vor dem Gehen lernte. Sie erfand neue Schnellgerichte, die man im Flug einnahm und sogleich verdau- te. Die Dienstboten wechselten täglich, später stündlich; endlich geriet sie an einen Speisewa- genkoch und zwei Flugzeugkellner, die das Zeitmaß begriffen und blieben. Sie war ihrem Gatten in jeder Hinsicht eine Stütze. Der fuhr fort, sein Leben zu beschleunigen. Da er viel schneller schlief als andere Leute, be- nötigte er weniger Schlaf. Wenn er sich ins Bett warf, träumte er schon, und bevor ihn der Traum recht umfangen hatte, war er bereits wie- der wach. Er frühstückte in der Badewanne und las beim Anziehen die Zeitung. Eine eigens er- baute Rutschbahn beförderte ihn aus der Woh- nung in das Auto, das mit angelassenem Motor vor der Haustür hielt und sofort davonschoss. Er sprach so knapp, als telegrafierte er, und wur- de von langsamen Menschen selten verstanden. Er versäumte keine sportliche Veranstaltung, bei der es umSchnelligkeit ging, und setzte Preise für Höchstleistungen aus; sie kamen nie zur Ver- teilung, weil die Bedingungen unerfüllbar waren. Einen Teil seines schnell erworbenen Vermögens steckte er in den Raketenbau. Die erste bemannte Rakete, die abgeschossen wurde, enthielt ihn. Es war die schönste Fahrt seines Lebens. Die Folgen eines so hastigen Daseins blieben nicht aus. Er alterte bedeutend rascher als seine 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 76 78 80 82 Nachdenken über Sprache 49 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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