Treffpunkt Deutsch 4, Schulbuch

Richtig wiedergegeben – Eine Figurencharakterisierung verfassen Umgang mit Texten und Medien Schreiben Peter Härtling Der gelbe Junge Der Text ist bereits 1975 erschienen und erzählt die Geschichte von Mark. Mark stammt aus Vietnam. Dort hat er im Krieg seine ganze Familie verloren und Schreckliches erlebt. Mit fünf Jahren kommt Mark in eine deutsche Familie, auf einmal hat er neue Eltern, eine neue Schwester – Renate – und einen eigenen neuen Namen. Er hieß jetzt Mark Dobler. Es fiel ihm nicht leicht, seinen Namen auszusprechen, doch er lernte rasch die neue Sprache, Deutsch, und nach einem Jahr redete er wie Renate. Er hätte auch nicht mehr gemerkt, dass er anders war als die Kinder hier, wenn sich nicht die Leute nach ihm umgedreht hätten. Dann sagte sein Vater: Die sind blöd. Das kann dir egal sein. Die Kinder, mit denen er spielte, hatten sich längst an ihn gewöhnt. Er war einer von ihnen. Dass er nicht ganz so aussah wie sie, pechra- benschwarzes Haar und gelbe Haut hatte, fiel nicht mehr auf. Er war ihr Spielkamerad, ihr Freund. Wenn einer doch mal eine dumme Bemerkung machte, bekam er es mit Renate zu tun. Renate hatte ihn gern wie eine Schwester. Mit der Schule änderte sich das. Am ersten Tag brachten ihn die Eltern hin, der Lehrer war allzu freundlich zu ihm, was ihm nicht behagte, und die Kinder starrten ihn an, als käme er vom Mars. Er hatte Angst und Wut. Er wusste, dass er sich würde prügeln müssen. Die Eltern mussten gehen. Der Unterricht begann. Der Lehrer bat die einzelnen Kinder, ihren Namen zu nennen. Als die Reihe an ihm war, sagte er: Mark Dobler. Der Lehrer schrieb nicht wie bei den andern den Namen in ein dickes Buch, sondern begann eine Rede zu halten: Wie ihr wahrscheinlich schon wisst, kommt Mark aus Vietnam. Er hat seine Eltern verloren und ist von Doblers an Kindes statt angenommen worden. Mark fand dieses „an Kindes statt“ ganz grässlich. Irgendwie falsch und gemein. Doch er sagte nichts, hielt den Kopf gesenkt, schämte sich. Der Lehrer sagte weiter: Seid nett zu ihm, behandelt ihn aufmerksam. Da stand Mark auf und sagte leise: Aber ich bin doch wie die andern. Der Lehrer lachte: Wenn du meinst, Mark. Ja, das stimmt, sagte Mark. In der Pause kam niemand zu ihm. Er stand allein. Er war nahe daran, zu weinen. Aber er verbiss es. Vor denen wollte er sich nicht schwach zeigen. Nein. Eine Horde von Jungen kam auf ihn zu. Es waren größere, aus der zweiten oder dritten Klasse. Sie bildeten einen Kreis um ihn, und der, den sie Tom riefen, sagte: Wo kommst’n her? Mark sagte: Ich wohne in der Bieberstraße. Nee, wo du herkommst, will ich wissen, sagte Tom. Von hier, sagte Mark. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 38 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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