Treffpunkt Deutsch 4, Schulbuch

Nozerl und die Großwürstelträger – Szenische Texte untersuchen Schreiben Umgang mit Texten und Medien Fritz von Herzmanovsky-Orlando Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter In dem Stück „Kaiser Joseph und die Bahnwärterstochter“ von Fritz von Herzmanovsky-Orlando (1877–1954) kommt es in dem erfundenen Ort Wuzelwang am Wuzen zur Begegnung von Kaiser Joseph II., der in einfacher Kleidung mit einem Teil seines Gefolges unterwegs ist, mit der Bahnwär- terstochter Nozerl, die natürlich nicht weiß, dass der „Herr“ der Kaiser ist … HERR: Halt, mein Kind! Ein wenig Geduld. Zu den LAKAIEN 1 : Fischet zuerst die Würstel heraus, die während der Fahrt im Kessel hingen. Ich will das zweite Frühstück. Die LAKAIEN befolgen den Befehl. Der HERR nimmt auf der Ruhebank Platz und bedeutet NOZERL, sich neben ihn zu setzen. Artig bietet er ihr ein Paar an. NOZERL: Bin so frei. HERR: Senf? NOZERL kauend : Nein. HERR: Schmeckt’s? NOZERL: Ja. Schluckt . Hab so feine noch nie nicht ’gessen. Man merkt wohl, die sind weit her. Vielleicht aus der Hauptstadt? Oder gar aus Frankfurt? Wissen S’, dort kriegt der Kaiser bei der Krönung die ganze Krone voll mit heiße Würstel! HERR: Was du nicht sagst! NOZERL: Die Frau Mahm hat mir’s erzählt. Und auch die Herren Kurfürsten werden reich mit Würstel beschenkt. Aber alle gerecht – alle gleich –! Nicht dass einer a Paarl mehr krieget … dass am Ende untereinand ins Streiten kämen, die Herrn Kurfürsten! HERR lächelnd : Ganz so spielt eine Krönung sich denn doch nicht ab, mein Kind. NOZERL: Nicht? Und warum heißt man dann die hochen Herrn, die was um den Kaiser herum sind, Großwürstelträger? HERR lacht : Aber Kind! Großwürdenträger heißen sie. NOZERL: Ah – so …?! Ehrfürchtig : Wie Sie das alles wissen! Am End waren S’ gar schon einmal in Frankfurt? HERR: Hm … allerdings … NOZERL: Jöh, sein Sie weit umma kimmen! Verbessert sich : Woit geroist, will ich sagen. Ja, so a Logomodiew is halt was Kommod’s … Aber jetzten muss ich den Kessel auffüllen. Sie hat fertig gegessen und macht sich an die Arbeit. Der HERR betrachtet die Szene mit Wohlge- fallen. NOZERL: Is dös a scheene Gutsch’n! Die liaben Engerl drauf … und der Federbuschen … ja, wer da mitfahren könnt! HERR: Führest du gerne mit? NOZERL verständnislos : Führest – bitt schön? HERR: Ob du mit so einem Zug gerne führest? NOZERL: Ja, wann er mich führet, fahret ich schon gern mit ihm, o ja. Und lauter silberne Fünf- zehnkreuzerstück tät ich außistreun – grad wie der Kaiser! […] HERR: Schau, schau, wie gebildet du daherredest! Du liesest wohl viel an den rauhen Winter- abenden? NOZERL: Ah na. Letzten Winter war i noch an Afn … an Afanal … naa! A Alfanafal … a Analfaf. Sie schluchzt beinahe. HERR: Ach – du meinst: eine Analphabetin? 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 154 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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