Treffpunkt Deutsch 4, Schulbuch

Gendersensibler Unterricht: „Chancen für alle Geschlechter erweitern“ Markiere die Stellen rot, in denen Silvia Kronberger erklärt, wodurch Mädchen im naturwissen- schaftlichen Bereich benachteiligt werden, und grün, wo sie Benachteiligungen für Burschen sieht. Schreibe in Stichworten in dein Heft, welche Lösungsmöglichkeiten Silvia Kronberger aufzeigt. Vergleicht die beschriebene Unterrichtssituation mit der in eurer Klasse. Könnt ihr euch der Meinung von Silvia Kronberger anschließen oder nicht? Begründet eure Entscheidung. 4 N 5 6 C Interview mit Gudrun Ostermann 30. Juli 2017, 08:00 Genderforscherin Silvia Kronberger erklärt, worauf Lehrer und Lehrerinnen achten sollten, damit Mädchen in Mathematik nicht schlechter abschneiden. STANDARD : Mädchen sind länger im Bildungssystem, studieren häufiger und schließen auch eher ab. Bei ma- thematischen und naturwissenschaftlichen Tests schnei- den sie aber immer noch schlechter ab als Burschen. Das Bundesinstitut für Geschlechterpädagogik und -forschung an der Pädagogischen Hochschule Salzburg soll Lehrer für dieses Thema sensibilisieren. Wie stark ist das Bewusstsein dazu bereits ausgeprägt? Kronberger : Es wird besser, aber nur sehr langsam. Es wird noch immer ein bisschen als Orchideenfach gese- hen. Das Interesse steigt aber in Verbindung mit ande- ren Themen wie interkulturellen Fragen. Zum Beispiel gibt es Studien, die zeigen, dass Buben mit Migrations- hintergrund und bildungsfernen Eltern die schlechtes- ten Bildungschancen haben, schlechter als die entspre- chenden Mädchen. Das dürfte mit einem Männerbild zusammenhängen, in dem Bildung kein erstrebenswer- tes Ziel ist. In den Medien wird das Thema oft negativ und verkürzt dargestellt, zum Beispiel durch Polemiken zur geschlechtergerechten Sprache oder Debatten über die Töchter in der Bundeshymne. Das erzeugt zuerst einmal Widerstand, und man muss gegen oder, besser, mit diesemWiderstand arbeiten, um das Thema behan- deln zu können. […] STANDARD : Wie erklären Sie sich das unterschiedliche Abschneiden der Geschlechter in Naturwissenschaft und Mathematik? Kronberger : Das beruht letztendlich auf einer gesell- schaftlichen Übereinkunft, dass nämlich die Burschen besser in Mathematik und anderen Naturwissenschaf- ten sind. Es ist eine alte pädagogische Erkenntnis, dass Menschen, denen mehr zugetraut wird, dann auch mehr können, auch weil sie mehr unterstützt werden. Das fängt schon in der Volksschule an. Im Bereich der Na- turwissenschaften wird zum Beispiel bei Buben früher mit Fachtermini gearbeitet, während die Lehrerinnen und Lehrer den Mädchen naturwissenschaftliche Er- kenntnisse in „einfachen“ Worten zu erklären versu- chen. Alles gut gemeint in der Annahme, sie würden es dann leichter verstehen – wobei aber schon mit- schwingt, dass es wohl für sie schwieriger ist –, aber das bringt den Buben von vornherein den Vorteil, dass sie mit den technischen Termini vertraut sind. Mädchen werden in den literarischen Fächern eher gefördert, weil man ihnen hier mehr zutraut. STANDARD : Wie lassen sich solche Stereotype durch- brechen? Kronberger : Das ist nicht leicht. An der PH Salzburg versuchen wir angehende Lehrerinnen und Lehrer da- hingehend zu sensibilisieren und zu unterstützen, dass sie besonders in den Fächern, in denen es diesen Gen- der-Gap gibt – also zum Beispiel Mathematik –, so zu unterrichten lernen, dass auch die Kinder sich ange- sprochen fühlen, die dem Geschlechterstereotyp gemäß weniger Interesse dafür zeigen. STANDARD : Wie kann ein geschlechtersensibler Unter- richt in der Praxis ausschauen? Kronberger : […] Man muss sich eigentlich bei jeder Aufgabe anschauen, inwieweit sie Geschlechterstereoty- pe anspricht und verstärkt und inwieweit man dagegen wirken kann. STANDARD : Warum ist das wichtig? Kronberger : Beim Gender-Thema geht es nicht darum, etwas zu beschränken, es geht viel mehr darum, die Chancen und Möglichkeiten für alle Ge- schlechter zu erweitern. Nicht, dass man etwas nicht macht, nur weil es nicht zum Geschlechterstereotyp passt, eben zum Beispiel nicht Volksschullehrer wird oder nicht Mechatronikerin. Denn das hat nicht nur Auswirkungen auf das Individuum, sondern auch auf die Gesellschaft. Wenn Frauen als Gestalterinnen der Informationstechnologien fehlen, dann haben sie kaum Einfluss auf die Veränderungen der Lebenswelt durch diese Technologien, von denen sie aber gleichermaßen betroffen sind. (Gudrun Ostermann, 30.7.2017) Silvia Kronberger (62) leitet das 2016 gegründete Bundesinstitut für Geschlechterpädagogik und -for- schung an der Pädagogischen Hochschule Salzburg. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 66 68 70 72 74 137 Meine beruflliche Zukunft Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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