Treffpunkt Deutsch 3, Sprachbuch

Vorsicht Rechtschreibung – Eine Ballade (richtig!) weiterschreiben Schreiben Umgang mit Texten Franz Hohler Die Ballade von der Orthographie (1987) Es war einmal eine Schreibmaschine die war ein Fall für sich. Sie gehörte dem Chef einer Lampenfirma das war ein gewisser Herr Stich. Er hatt’ sie auf einer Versteigrung erworben der frühre Besitzer war scheinbar gestorben vielleicht auch verschollen, man wusste es nicht – für Herrn Stich fiel einzig der Preis ins Gewicht. Er gab sie seiner Chefsekretärin Fräulein Rosa Pflug die darauf von morgens bis abends munter die Tasten schlug. Sie tönte zwar fast etwas abgehackt war jedoch im Übrigen völlig intakt. Doch plötzlich war Fräulein Pflug verschwunden. man hat sie gesucht, aber nie mehr gefunden Sie ging am Morgen ins Arbeitszimmer und kam nicht mehr heraus. Um 11 Uhr wollte Herr Stich diktieren da war sie schon nicht mehr im Haus. Ihr Mantel war da, und ihr Täschchen war da und ein Brief auf der Walze, von dem man nur sah: Das Letzte, was von ihr übrig geblieben das war das Wort „nämlich“, mit h geschrieben. Herr Stich war verzweifelt, was sollte er tun die Arbeit drängte sehr. Er nahm eine neue Sekretärin Fräulein Emma Fehr. Es ging bloß fünf Tage, bis sie verschwand. Ein Brief blieb zurück, in dem nur noch stand: „Wir würden uns freuen, wenn Sie, Herr Thomma –“ Nach „Würden uns freuen“ fehlte das Komma. Da machte Herr Stich einen letzten Versuch mit Fräulein Rebecca Ryf doch diese blieb nur einen einzigen Morgen und schrieb einen einzigen Brief darin schrieb sie: „Lieber Herr Doktor“ mit ck und das war das Ende von Fräulein Rebecca. Herr Stich engagierte sofort Fräulein Frei doch ehe sie kam, kam die Polizei. Herr Stich war nach zwei Minuten verhaftet und zwar wegen Mordverdacht. Doch als man ihm nichts beweisen konnte da hat er den Vorschlag gemacht man sollte vielleicht die Maschine prüfen geschehen seis schließlich beim Schreiben von Briefen. Das leuchtete allen Beteiligten ein und sie nahmen sogleich einen Augenschein. Korporal Zwahlen saß vor dem Schreibtisch und fragte mit ernster Miene: „Was soll ich denn schreiben?“ Da sagte Herr Stich: „Schreiben Sie Schreibmaschine.“ Doch kaum ists geschehen, da hört man ein Knacken man sieht, wie die Tasten die Zeigefinger packen es sträuben sich sämtliche Typenhebel im Schlund der Maschine brodelt ein Nebel den Kopf des Beamten nimmts krachend hinein es folgen die Schultern, die Arme, ein Bein das andere auch, und jetzt noch ein Schuh dann macht die Maschine das Maul wieder zu. Man hört noch ein Knirschen, ein Mampfen und Mahlen und das war das Ende von Korporal Zwahlen. Man sah auch, was ihn ins Verderben getrieben: Er hatte „Maschine“ mit ie geschrieben. 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 46 48 50 52 54 56 58 60 62 64 162 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=