Sexl Physik 8, Schulbuch

Sinkt die Teilchenenergie unter 1 GeV , beginnen sich Quarks und Antiquarks zu vernichten. Ein geringer Überschuss an Quarks überlebt diesen Prozess. Hier liegt die Ursache für die Asymmetrie zwischen Materie und Antimaterie. Die Farbkraft zwingt sie, sich zu p und n zusammenzuschließen. Das Universum besteht bei 1GeV im Wesentlichen aus p , n , e – , e + , ν , ​  äää  ν ​ , und γ . Die Anzahl der Photonen übertrifft jene der Nukleonen um den Faktor 10 9 . In der Anfangszeit des Universums ( 100–1 000 s nach dem Urknall, T ≈ 10 9  K ) entstan- den jene Teilchen, die heute noch im Universum anzutreffen sind: −− die heute vorhandenen Elektronen. Sie blieben nach der großen Elektron-Positron-Vernichtung übrig. (Die mittlere Teilchenenergie hatte die Schwelle von 1MeV für die Erzeugung neuer Paare unterschritten.) −− die heute vorhandenen Neutrinos und Antineutrinos, die in dem immer dünner werdenden Plasma mit der übrigen Materie nicht mehr in Wechselwirkung tre- ten konnten (Neutrino-Entkopplung); −− die Kerne der leichten Elemente Wasserstoff, Deuterium, Helium. Solange die mittlere Teilchenenergie oberhalb einiger MeV lag, bildeten sich ge- nauso viele Protonen aus Neutronen wie umgekehrt: n+ ν e ↔ p+ e – . Da Neutronen etwas mehr Masse als Protonen besitzen, verläuft dieser Prozess bei sinkender Teilchenenergie einseitig: n → p+ e –  + ​  äää  ν ​ e . Freie Neutronen zerfallen oder bilden zusammen mit Protonen D- oder He -Kerne. Die aus den Sternspektren gewonnene relative Häufigkeit dieser Elemente ( 25% der baryonischen Materie im Universum bestehen aus Wasserstoff, Helium und leichten Elementen, wobei etwa dreimal so viel Wasserstoff vorhanden ist wie He- lium) stimmt mit den berechneten Werten überein. (Alle anderen Elemente ent- standen durch Kernfusion in Sternen und Supernova-Explosionen, s. S. 83, S. 85.) Zwar ist das Modell der Inflation und des expandierenden Universums einigerma- ßen gesichert, dennoch bleiben wichtige Fragen offen. Vor allem weiß man derzeit nichts über die Beschaffenheit der wesentlichen Bausteine unseres Universums, der Dunklen Energie und der Dunklen Materie (s. S. 88). Es wird deutlich, dass Fortschritte auf dem Gebiet der Elementarteilchenphysik eng mit Fortschritten in der Kosmologie verknüpft sind. Die Zuverlässigkeit der Modelle hängt auch davon ab, wie genau man den gegenwärtigen Zustand, aber auch die für die verschiedenen Epochen wichtigen physikalischen Gesetze kennt. Dazu kommt, dass im frühen Universum auch Quanteneffekte der Gravitation nicht vernachlässigt werden können und eine umfassende Theorie, die diese einbezieht, fehlt. Um leistungsfähigere und mathematisch konsistente Theorien zu entwickeln und diese zu überprüfen, bedarf es weiterer Beobachtungen, besserer Teleskope und noch größerer Beschleuniger, sowie der entsprechenden Computer, um die un- geheuren Datenmengen zu verarbeiten. Bis dahin bleibt uns das Staunen über die Vielgestaltigkeit und Seltsamkeit des Universums. starke Wechselwirkung schwache Wechselwirkung elektro- magnetische Wechselwirkung Gravitationswechselwirkung elektro-schwache Wechselwirkung große verein- heitlichte Theorie allum- fassende Theorie hohe Energie niedrige Energie 100 10 15 10 19 Energie in GeV E 95.2 Man stellt sich vor, dass unter den hohen Energien kurz nach dem Urknall die vier Grundkräfte vereinigt waren. Experimentell bestätigt wurde bisher nur die Theorie, dass sich bei ca. 100 GeV elektromagnetische und schwache Wechselwirkung zu einer einzigen Kraft zusammenschließen. 95.4 Der Quasar J2233-606 im Hubble Deep Field South, in einer Radiokarte (ESO). Aus der großen Rotverschiebung der Quasare schließt man auf eine Entfernung von bis zu rund 12Mrd. Lj. Da wir sie heute beobachten kön- nen, müssen sie vor mindestens 12Mrd. Jahren entstanden sein. 95.3 380 000 Jahre nach dem Urknall wurde das Universum durchsichtig. Dichteschwankungen der dunklen Materie waren Ausgangspunkte für die Galaxien. 95.5 Die Teleskope von ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) der ESO in der Atacama-Wüste. 95.1 (links) Die „thermische“ Geschichte des Universums 10 4 10 7 10 10 10 13 10 16 10 19 10 22 10 25 10 28 10 31 10 Temperatur in K T Planck-Skala allumfassende Theorie 10 -43 10 -33 10 -23 10 -13 10 -3 10 7 10 17 (ein Jahr) ( 10 Jahre) 10 ˜ Zeit in Sekunden s Grand Unified Theory (GUT) (Inflation, Ursprung der Materie) Energie pro Teilchen im größten Teilchenbeschleuniger (LHC, Large Hadron Collider) elektroschwacher Übergang Neutrinos lösen sich von der Materie Nukleosynthese im Urknall (Ursprung von Helium-4, Helium-3, Deuterium und Lithium-7) neutrale Atome bilden sich, Photonen und Materie entkoppeln, Ursprung der Hintergrundstrahlung Existenz von Sternen und Galaxien Quarks vereinigen sich zu Neutronen und Protronen heute 95 | AKTUELLE FORSCHUNG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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