Sexl Physik 8, Schulbuch

Kosmologie In diesem Kapitel erfährst du − − welche Belege es für die Expansion des Universums gibt, − − was wir über das Alter des Universums wissen, − − wie man sich den Anfang des Universums vorstellt, − − warum Physiker auf die Idee kommen, die Existenz von unsichtbarer Materie zu postulieren, − − welche Fragen noch offen sind und vielleicht irgendwann einmal gelöst werden. 4 Die Frage nach der Größe und dem Aufbau des Universums, nach seinem zeitlichen Anfang und seinem möglichen Ende hat die Menschen seit jeher beschäftigt. Die Schöpfungsmythen der Menschheit gaben darauf Antworten. Die griechischen Philosophen der Antike suchten als Erste nach einer rationalen Antwort. So fragte A ristoteles , ob es nur ein Universum gäbe und ob dieses ewig oder zeitlich begrenzt sei. Und wenn es nur eine Welt gibt und diese endlich ist, was ist dann außerhalb? Ferner: Ist es möglich, dass Gewordenes ewig ist und Un- gewordenes vergeht? Und wenn das Universum – nicht aus dem Nichts! – entstan- den wäre, wie entstanden dann die Elemente? Und schließlich: Warum ist das Uni- versum so beschaffen, dass sich darin Leben entwickeln konnte? Die aristotelischen Überlegungen führten zur Vorstellung eines räumlich endli- chen, aber ewigen Universums. Im Mittelpunkt dieses Universums ist die Erde. Sie ist von konzentrischen Äthersphären umgeben, die den Mond und die Planeten tragen. Die äußerste Kugelschale, das Himmelsgewölbe, trägt die Fixsterne. Im Mittelalter schätzte man ihren Radius auf etwa eine Million Kilometer. Jenseits des Himmelsgewölbes ist nichts – nicht einmal Raum. Denn ohne Materie ist in der aristotelischen Philosophie auch kein Raum denkbar. Die Kopernikanische Wende und die Erfindung des Fernrohrs führten ab der zweiten Hälfte des 16. Jh. zu einer radikale Veränderung der Ideen über das Uni- versum. Die Erde war nicht mehr Mittelpunkt des Weltalls, ja selbst die Sonne war nur mehr einer von zahllosen Fixsternen im Milchstraßensystem. Im 18. Jh. vermutete der Philosoph I mmanuel K ant , dass auch unsere Milchstraße nur eine von zahlreichen Galaxien ist, die das Universum erfüllen. Ohne verlässli- che Beobachtungsdaten blieb dies noch lange eine Hypothese. Zwar kannte man einige „Nebel“, diffuse helle Flecken am Sternenhimmel, doch war ihre Entfernung unbekannt. Erst ab 1920 wurden sie als eigene Galaxien außerhalb der Milchstra- ße nachgewiesen. Allgemein bestand die Vorstellung, dass das Universum zeitlich unveränderlich sei. Im Jahr 1915 veröffentlichte Albert Einstein die Allgemeine Relativitätstheorie . Diese Theorie beschreibt, wie die Verteilung der Massen im Universum die Struk- tur der 4-dimensionalen Raum-Zeit bestimmt. Damit verallgemeinerte er Newtons Gravitationstheorie zu einer Feldtheorie. Die Lösung von Einsteins Feldgleichun- gen erwies sich als äußerst schwierig. Um eine zeitlich konstante Lösung für ein Universum mit konstanter Massendichte zu erhalten, musste Einstein einen Zu- satzterm in seinen Gleichungen einführen, die kosmologische Konstante. Ihr ent- spricht eine Energie, die der Gravitation entgegenwirkt. Im Jahr 1922 zeigte der russische Mathematiker A lexander F riedmann (1888–1925), dass homogene Mas- senverteilungen expandieren oder kontrahieren. Die Vorstellung eines expandie- renden Universums konnte sich aber erst durchsetzen, als sie (etwa 1930) durch Beobachtungsdaten bestätigt wurde. Dank Teleskopen im Weltraum weiß man seit 1998, dass sich das Universum beschleunigt ausdehnt. Die aufwändige Messung wurde im Jahr 2011 mit dem Nobelpreis belohnt. 90.1 „Der Mensch durchstößt die Himmels­ kugel“ – hat das Universum eine Grenze? In dieser Buchillustration des späten 19. Jh. wird die naive Vorstellung einer uns umgeben- den begrenzten Himmelskugel kritisiert. 90.2 Der Hindugott Shiva tanzt den Tanz der Schöpfung. Die aus einem Lotussockel, dem Symbol der Erleuchtung, erwachsende Flammenaureole Shivas symbolisiert den Rhythmus des Alls. 90.3 Das Bild stellt die Verteilung der Galaxien im Weltall dar. Die Farben geben an, ob sich eine Galaxie auf uns zu- oder wegbewegt und wie schnell sie dabei ist.  90 AKTUELLE FORSCHUNG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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