Sexl Physik 8, Schulbuch

Verfolgen wir das Schicksal dieses Sternes mit einer ursprünglichen Masse von etwa 20 M 8 , wie es sich aus den Beobachtungen und aus Modellrechnungen ergibt. Etwa 10 Mio. Jahre dauerte seine Laufbahn auf der Hauptreihe. Das Stadium des Roten Riesen mit Heliumbrennen dauerte 600000 Jahre. Die weiteren Stadien der Kernverschmelzung dauerten nur mehr 40000 Jahre. Nach dem Verlust eines Teils der Hülle war ein heißer, blauer Riese mit einer Leuchtkraft von etwa 80 000 L 8 übrig geblieben, dessen Position um 1970 vermessen worden war. (  85.1 ) Nach Erschöpfung des Kernbrennstoffs gewann die Gravitation die Oberhand. In- nerhalb von Sekundenbruchteilen schrumpfte der Eisenkern, der bei einem Radius von rund 3 000 km eine Masse von 1,4 M 8 enthielt, auf einen Radius von etwa 30 km . Den Ablauf stellt man sich folgendermaßen vor: Bei einer Temperatur von 6 · 10 9  K zerfallen die Fe -Kerne in ihre Bestandteile. Die Elektronen, die bisher den Sterndruck aufrechterhielten, vereinigen sich mit Pro- tonen zu Neutronen, Neutrinos werden frei. Diese Prozesse kühlen den Kern und reduzieren den Druck. Dies beschleunigt den Kollaps, der erst zum Stillstand kommt, wenn die Dichte der Materie 10 17 kg/m 3 , entsprechend der Dichte der Mate- rie in Atomkernen, erreicht. Es gibt nun praktisch keine einzelnen Atomkerne mehr, sondern nur einen „Brei“ aus Neutronen, einen Neutronenstern . Der Kollaps kommt schlagartig zum Stillstand. Die weitere hereinstürzende Materie trifft auf eine sehr harte Kugel und wird zurückgeschleudert. Sie läuft als Stoßwelle nach außen und reißt die darüber liegenden Schichten mit sich. Das erste Signal, das auf der Erde empfangen wurde, war die Flut von Neutrinos , die uns nach einer Laufzeit von 160000 Jahren erreichten. 10 58 Neutrinos wurden bei der Bildung der Neutronen produziert, sie transportierten 99% der beim Kol- laps freigesetzten Energie ( 3 · 10 46  J ) ab. Am 23. 2. 1987 um 7 Uhr 35 UTC wurden in zwei Neutrinodetektoren innerhalb von 10 Sekunden insgesamt 19 energiereiche Neutrinos registriert. Es waren die ersten Neutrinos, die sich eindeutig einem Er- eignis außerhalb unseres Sonnensystems zuordnen ließen – der Beginn der Neu- trino-Astronomie (  85.3 ). Die Stoßwelle nimmt die äußeren Schichten des Eisenkerns mit und trifft auf die Sternhülle, die dadurch aufgeheizt wird, was zu neuen Kernfusionen Anlass gibt. Schließlich erreicht sie die Oberfläche, deren Temperatur von 3 000K auf über 200 000K ansteigt. Ein Röntgenblitz ist die erste elektromagnetische Botschaft, die der explodierte Stern aussendet. Allmählich beginnt auch die Abstrahlung im sichtbaren Bereich. 18 Stunden nach dem Eintreffen der Neutrinos strahlte der neue Stern bereits zehnmal heller als der Polarstern und seine Leuchtkraft nahm weiter zu. (In diesem Stadium wurde die SN1987A erstmals von Astronomen der Europäischen Südsternwarte in Chile mit freiem Auge gesehen.) Nach vier Wochen betrug seine Leuchtkraft 10 8 L 8 , praktisch so viel wie eine ganze Galaxie und doch wurde nur 0,01% der Energie als Licht abgeführt! Eine weitere Energiequelle heiz- te die expandierende Gaswolke: 56 Co , das mit 11 Wochen Halbwertszeit zu 56 Fe zer- fällt – die Leuchtkraft nahm daher in derselben Zeit auf die Hälfte ab (  85.2 ) . Nach einem Jahr war SN1987A nur mehr im Fernrohr zu sehen. Ob SN1987A tatsächlich zu einem Neutronenstern wurde oder etwa als Schwarzes Loch endete, ist noch unklar. 85.4 Das helle Licht von SN1987A erreicht uns Jahre später als Reflexion an interstellaren Wolken. (Die Sterne wurden aus diesem Bild entfernt, damit die Ringe sichtbar werden.) 85.3 Der Neutrino-Schauer der SN1987A wurde in einem Detektor in Japan registriert. Zehn Neutrinos übertrugen als Puls von weni- gen Sekunden Dauer ihre Energie auf Elektro- nen, die im riesigen Wassertank durch ihre Cerenkov-Strahlung nachgewiesen wurden. 0 100 200 300 400 500 600 700 Zeit t in Tagen 10 5 10 6 10 7 10 8 relative Leuchtkraft / L L 85.2 Leuchtkraftverlauf der SN1987A. 85.1 Ein Blick ins Innere des Sterns, bevor er 1987 als Supernova SN 1987A am Südhimmel aufflammte, zeigt eine Zwiebelstruktur: Konzentrische Schalen von immer schwereren Elementen. Die Radien der Schalen, die Tempe- ratur im Zentrum und die Dichte an der Ober- fläche sind angegeben. Wenn im Endstadium Schwefel und Silicium zu Eisen verschmelzen, hört die Energieproduktion auf und der Stern bricht unter dem eigenen Gewicht zusammen. H, He He He C C, O Ne O Mg Si, S Fe Strahlung Neutrinos 18 Sonnenmassen 6,1 Sonnenmassen 3,9 Sonnenmassen 1,9 Sonnenmassen 30 Millionen Kilometer 500 000 Kilometer 20 Millionen Kelvin 1 Gramm pro Kubikzentimeter 500 000 Kilometer 250 Millionen Kelvin 1 000 Gramm pro Kubikzentimeter 5 000 Kilometer 3 Milliarden Kelvin 1 Million Gramm pro Kubikzentimeter 85 | AKTUELLE FORSCHUNG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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