Sexl Physik 8, Schulbuch

Wir kommen damit zur Vorstellung, dass jede elektrische Ladung von einer Wolke virtueller Photonen umgeben ist. Diese Photonen werden ständig emittiert und ab- sorbiert und bilden in ihrer Gesamtheit das Feld in der Umgebung der Ladung. Bringt man eine zweite Ladung in die Nähe, so werden virtuelle Teilchen zwischen diesen Ladungen ausgetauscht, wodurch Energie bzw. Impuls übertragen wird. Je weiter die Ladung entfernt ist, desto länger braucht das virtuelle Teilchen, desto weniger Energie und Impuls überträgt es: die Kraft nimmt mit dem Abstand ab. Es hat sich gezeigt, dass für alle Arten von Kräften die Austausch-Teilchen Boso- nen sind (siehe Tabelle   73.3 ). Die elektrische Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen einschließlich der Erzeugung und Vernichtung von Elektron-Positron-Paaren wird erfolgreich durch die Quantenelektrodynamik (QED) beschrieben. Die QED wurde in den 1940er Jahren entwickelt. Einer ihrer ersten Erfolge war die Berechnung des Beitrags der virtuellen Photonen zum magnetischen Moment des Elektrons. Die QED ist das Vorbild für die Beschreibung der starken Wechselwirkung zwischen den Quarks und der schwachen Wechselwirkung (z. B. β -Zerfall). Kräfte zwischen Teilchen werden durch Austausch-Teilchen vermittelt. Das Photon ist das Austausch-Teilchen der elektromagnetischen Wechselwirkung. Reichweite der Kräfte zwischen Teilchen Mit der Vorstellung von Austauschkräften lässt sich in der Kernphysik die geringe Reichweite der Kräfte (ca. 10 −15  m ) zwischen Protonen und Neutronen in Atomker- nen verstehen. Die Austauschteilchen sind Pionen mit einer Masse von ca. 140MeV/ c 2 , die aus je einem Quark und einem Antiquark bestehen. Soll ein virtuelles Teilchen mit der Masse m erzeugt werden, so ist dazu die Ener- gie Δ E = mc 2 erforderlich. Diese Energie kann nur für die Zeitspanne Δ t = h / Δ E auf- gebracht werden. In dieser Zeit kann das virtuelle Teilchen höchstens die Strecke Δ s = c · Δ t = c · h / Δ E = h /( m · c ) ≈ 10 − 15  m zurücklegen. Die Reichweite des Kraftfeldes ist also begrenzt und hängt von der Masse m des Austausch-Teilchens ab. Bei Abständen, die wesentlich größer als die Reichweite sind, sind die Kräfte vernachlässigbar klein. Die Reichweite des elektrischen Feldes ist unendlich, weil das Photon masselos ist. Die Kraft zwischen elektrischen Ladungen im Abstand r ist proportional zu r −2 , sie ist auch in beliebig großen Abständen noch wirksam. Das Vakuum Das Konzept der virtuellen Teilchen führt zu einer Revision der Vorstellungen über den leeren Raum , das Vakuum . Wir haben bereits in der Elektrizitätslehre gesehen, dass der materiefreie Raum in der Umgebung von Ladungen Träger eines Feldes ist. Wie wir nun sehen, sind mit diesen Feldern virtuelle Teilchen verknüpft. Es werden nicht nur dauernd virtuelle Teilchen von Ladungen emittiert und absor- biert, sondern es entstehen auch virtuelle Teilchen-Antiteilchenpaare (Masse 2 m ) für Zeitdauern Δ t < h /(2 mc 2 ) – das Vakuum wimmelt von Teilchen (  70.2 , 70.3 ). Man könnte meinen, ob nun das Vakuum voll von virtuellen Teilchen ist oder nicht, sollte keinen Einfluss auf Messgrößen haben. Dies ist aber falsch. Die Quanten- elektrodynamik (QED) erlaubt die Berechnung der Wechselwirkung zwischen Elektronen und Photonen. Wegen seines Spins hat das Elektron ein magnetisches Moment, es verhält sich wie eine kleine Magnetnadel. Experimentell findet man eine kleine Abweichung von jenem Wert, den es nach der Dirac’schen Theorie be- sitzen sollte. Die äußerst mühsame Rechnung im Rahmen der QED liefert auf 11 Stellen den gleichen Wert wie das Experiment. Dadurch wird die Quantenelektro- dynamik zu jener physikalischen Theorie, die am genauesten überprüft ist. Um diese gute Übereinstimmung zwischen Experiment und Berechnung zu erreichen, müssen die virtuellen Teilchen berücksichtigt werden.  auslaufendes Elektron einlaufendes Elektron Austausch eines virtuellen Photons auslaufendes Protron einlaufendes Protron Quarks 70.1 Die Streuung eines Elektrons an einem Proton ist als Austausch eines „virtuellen“ Pho- tons zwischen dem Elektron und einem der drei Quarks im Proton dargestellt. virtuelles Teilchen 70.2 Das elektrische Feld um ein geladenes Teilchen wird hier durch eine Wolke virtueller Photonen dargestellt. Sie werden für kurze Zeit ausgesendet und später wieder absor- biert. Analoge Vorstellungen werden für alle Kräfte benutzt. Zeit Elektron virtuelles Photon 70.3 Nach dem Unschärfeprinzip kann sich ein Teilchen Energie „leihen“ und virtuelle Teil- chen erzeugen. Prozesse dieser Art müssen bei der Berechnung des magnetischen Moments des Elektrons berücksichtigt werden.  70 Teilchenphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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