Sexl Physik 8, Schulbuch

Historisches-Experiment: Michelson-Morley-Experiment (1887) 7.1 E 1  Für ihren Versuch, die Geschwindigkeit der Erde relativ zum Äther zu bestim- men, verwendeten Michelson und Morley ein von Michelson entwickeltes Inter- ferometer (  7.1 ). Ein von einer Lichtquelle L kommender Lichtstrahl wird durch einen halbdurchlässigen Spiegel S in zwei kohärente, d. h. interferenzfähige, Teil- strahlen aufgespalten. Der erste dieser Teilstrahlen läuft von S zum Spiegel A, wird von diesem reflektiert und läuft wieder zurück zu S, wo er zum Schirm reflektiert wird. Der zweite Teilstrahl läuft von S zum Spiegel B, wird von diesem reflektiert und läuft wieder zurück zu S, wo er zum Schirm durchgelassen wird. Zwischen S und dem Schirm überlagern sich die beiden Teilstrahlen. Schließlich fallen sie auf den Schirm, auf dem man Interferenzringe beobachtet (  7.2 ). Da die Lichtquelle kein völlig paralleles Licht aussendet, entstehen auf dem Schirm Interferenzringe und nicht einfach ein heller bzw. dunkler Punkt. Die Abstände der Spiegel A und B von S sind gleich groß: ​  äääää  SA​= ​  äääää  SB​= D. Verursacht die Bewegung durch den Äther einen Gangunterschied der Teilstrahlen? (  7.3, zur Interferenz von Lichtstrahlen s. Physik 7, S. 65, Physik 6, S. 45) Wir nehmen an, dass der Interferometerarm SA parallel zur Bewegungsrichtung der Erde liegt (  7.1 ). Der erste Teilstrahl läuft dann auf dem Weg von S zu A dem Äther entgegen. Relativ zur Erde hat er die Geschwindigkeit c − v . ( v bezeichnet die Geschwindigkeit der Erde durch den Äther.) Auf dem Rückweg von A nach S läuft der Strahl der Erde und damit dem Interferometer mit der Geschwindigkeit c + v entgegen. Die Zeit, die das Licht von S zum Spiegel A und zurück benötigt, ist daher t SAS  = ​  D _  c − v ​ + ​  D _  c + v ​= ​  2 Dc _  c 2  – v 2  ​= ​  2 D _  c ​ ·​  1 _  1 − ​  v 2 _  c 2 ​ ​. Die Geschwindigkeit des Lichtstrahls, der den Interferometerarm SB senkrecht zur Erdbewegung durchläuft, beträgt ​ 9 ___ c 2  − v 2 ​(  7.3 ). Er benötigt daher von S nach B und zurück die Zeit t SBS  = ​  2D __  ​ 9 _ _ c 2  − v 2 ​ ​= ​  2 D _  c ​ ·​  1 _  ​ 9 ___ 1 − ​  v 2 _ c 2 ​ ​ ​ Das Licht sollte sich also in verschiedenen Richtungen mit unterschiedlicher Ge- schwindigkeit bewegen. Wie wir sehen, ist t SBS  <  t SAS , die beiden Teilstrahlen haben also einen Gangunterschied. Dreht man das Interferometer um 90°, so vertauschen die beiden Interferometer- arme ihre Rollen. Der Interferometerarm, der vorher parallel zur Bewegungsrich- tung der Erde gelegen war, liegt nun quer zur Bewegungsrichtung und umgekehrt. Die Laufzeitdifferenz t SAS  − t SBS ändert dabei ihr Vorzeichen. Man sollte daher eine Verschiebung der Interferenzringe beobachten. Trotz sorgfältigster Versuchsdurchführung konnten M ichelson und M orley keine Änderung des Interferenzmusters feststellen, obwohl bereits eine Geschwindig- keit von wenigen Kilometern pro Sekunde einen messbaren Effekt hätte hervor­ rufen müssen: Dies spricht gegen die Existenz des Äthers. Der Versuch wurde seither mehrfach wiederholt. Trotz der großen Geschwindig- keit von 30 km/s, mit der sich die Erde um die Sonne bewegt, konnte bei keinem dieser Versuche eine Abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Ausbrei- tungsrichtung und damit eine Bewegung der Erde durch den Äther festgestellt werden. Man könnte vermuten, dass der negative Ausgang des Experiments dadurch zu er- klären ist, dass der Äther von der Erde mitgeführt wird und somit die Lichtquelle relativ zum Äther ruht. Das Experiment wurde daher auch mit Sternenlicht durch- geführt, dies lieferte jedoch das gleiche Ergebnis. Seither haben Wissenschaft und Technik enorme Fortschritte gemacht. Selbst bei alltäglichen Vorgängen, wie der Synchronisation des weltweiten Uhrensystems oder der Navigation mit Hilfe des GPS-Systems, würden sich heute Unterschiede in der Lichtgeschwindigkeit deutlich bemerkbar machen und müssten berücksichtigt werden. Lichtquelle L halbdurchlässiger Spiegel S Spiegel B Spiegel A Schirm v 7.1 Mit Interferometern sind durch die Über- lagerung von Lichtstrahlen äußerst genaue Längenmessungen möglich. Mit dem Michelson-Interferometer können Gangunterschiede der Lichtstrahlen auf Bruch- teile der Wellenlänge genau bestimmt werden. 7.2 Interferenzringe Äther Ruhesystem der Erde – v – v v c c c c+v c–v – v c –v 2 2 7.3 Lichtausbreitung gemäß der Äther-Hypothese: Im Äther (hellgrauer Hinter- grund) breitet sich ein Lichtblitz in alle Rich- tungen mit derselben Geschwindigkeit c (gelbe Pfeile) aus; die Pfeilspitzen liegen auf dem ge- strichelten Kreis. Die Bewegung der Erde (dun- kelgraues System) durch den Äther mit der Ge- schwindigkeit v führt zu einem „Ätherwind“, so dass von der Erde aus betrachtet auf die ein- zelnen Strahlen des Lichtblitzes je nach ihrer Richtung ein Gegenwind, ein Rücken- oder ein Seitenwind wirkt. Auch im System der Erde liegen die Spitzen der Geschwindigkeitspfeile (rote Pfeile) auf ei- nem Kreis. Dieser (schwarz gezeichnete) Kreis ist gegenüber dem gestrichelten um – v ver- schoben. Die Geschwindigkeitspfeile haben daher verschiedene Längen: in Bewegungs- richtung c – v , entgegen der Erdbewegung c + v , quer zur Erdbewegung . Diese Geschwindig- keitsunterschiede wollte Michelson messen. Da dies nicht gelang, muss man die Ätherhypo- these als gescheitert ansehen. 7 | Relativitätstheorie Nur zu Prüfzwecken – Eigentum d s Verlags öbv

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