Sexl Physik 8, Schulbuch

Die Eigenschaft up, down, charm, strange, top, bottom wird – im übertragenen Sinn – als Flavor (Geschmack, Duft) bezeichnet. Mit dieser Vorstellung gelang Gell-Mann die erfolgreiche Vorhersage eines bis da- hin nicht entdeckten Teilchens, das aus drei s-Quarks besteht und einfach negativ geladen ist. Dieses Ω – konnte bald darauf gefunden werden (  68.1 ). Die Mesonen sind kurzlebige Teilchen mit ganzzahligem Spin. Sie bestehen aus Quark-Antiquarkpaaren. Z. B. besteht das π + aus einem u -Quark und einem d -An- tiquark. Mesonen sind Bosonen, für sie gilt keine Erhaltung der Teilchenzahl. Bei- spielsweise können Pionen in Reaktionen folgender Art erzeugt werden: p+p ¥ p+n+ π + oder p+p ¥ p+p+ π +  + π – . Anschließend zerfallen die Pionen mit einer mittleren Lebensdauer von 2 · 10 −8 s , beispielsweise π +  ¥ μ +  + ν μ ¥ e +  + ν μ + ν e , so dass nur Fermionen übrig bleiben. Anfangs wurde das Quarkmodell nur zögernd anerkannt. Bald aber zeigte sich in der Streuung von hochenergetischen Elektronen an Protonen und Neutronen das- selbe Phänomen wie in Rutherfords Streuexperiment: Es werden wesentlich mehr Teilchen um große Winkel gestreut als für strukturlose Nukleonen zu erwarten ist. Dies deutet wie beim Atom auf „punktförmige“ Bestandteile (  69.1 ). Eine Frage stellt sich: Warum wurden immer nur Teilchen beobachtet, deren elekt- rische Ladung eine Elementarladung (oder ein ganzes Vielfaches davon) ist? War- um wurden bisher nie einzelne Quarks beobachtet? Aus den vergeblichen Versu- chen, einzelne Quarks zu erzeugen, schließt man auf die Gültigkeit eines Naturprinzips: Quarks existieren nur als Bestandteile von „Quarkmolekülen“ wie Nukleonen oder Mesonen (s. Quark-Confinement , S. 71). Quarkmodell Proton, Neutron und alle anderen Baryonen bestehen aus drei Quarks. Mesonen bestehen aus einem Quark-Antiquarkpaar. Einzelne Quarks können nicht beobachtet werden. 2.5 Teilchen übertragen Kräfte Bevor wir uns mit den Kräften zwischen den Quarks beschäftigen, wollen wir an der Wechselwirkung zwischen Materie und Licht, der elektromagnetischen Wech- selwirkung , einige Grundbegriffe kennenlernen. Jede ruhende elektrische Ladung ist von einem elektrischen Feld umgeben. Über dieses Feld wird die Coulomb-Kraft zwischen geladenen Teilchen vermittelt. Wenn Ladungen beschleunigt werden, wird aus dem statischen elektrischen Feld ein Strahlungsfeld (s. Physik 7, S. 38 ff.). Gemäß der Quantentheorie besteht dieses Strahlungsfeld aus Photonen. Photonen werden von beschleunigten Ladungen emittiert und von anderen Ladungen absorbiert. Dadurch übertragen Teilchen (Photonen) Energie und Impuls zwischen Ladungen. Dies führt auf die Hypothese, dass allgemein Kräfte durch Teilchen übertragen werden. Mit dieser Hypothese werden zwei ursprünglich völlig verschiedenartige Begriffe, nämlich Teilchen und Kraft , auf einen einzigen Begriff zurückgeführt. Kräfte zwischen Teilchen (z. B. Elektronen) werden durch Austausch-Teilchen bewirkt, die Energie und Impuls zwischen elektrisch geladenen Teilchen transportieren (  69.2 ,   70.1 ). Wie sind Austausch-Teilchen vorstellbar? Die Energie-Zeit-Unschärferelation Δ E · Δ t ≈ h sagt, dass für einen Zeitraum Δ t die Energie E eines Quantensystems nur mit der Genauigkeit Δ E ≈ h / Δ t bestimmt ist (s. Physik 7, S. 99). Für die Zeit Δ t kann das Kraftfeld die Energie Δ E einem Teilchen des Feldes (z. B. Photon) zur Verfügung stellen. Erreicht dieses „virtuelle“ Teilchen innerhalb der Zeit Δ t eine andere Ladung, so überträgt es die Energie Δ E und einen entsprechenden Impuls. Als virtuell werden diese Teilchen bezeichnet, da sie in Detektoren keine Spuren hinterlassen. Während die Photonen des Strahlungsfelds die Beziehung E = p · c erfüllen und masselos sind, gilt dies für die virtuellen Photo- nen nicht – deshalb können sie nicht direkt beobachtet werden. Proton Quark Elektron 69.1 Bei der Streuung hochenergetischer Elektronen an Nukleonen treten stärkere Ablenkungen auf, als bei einer gleichmäßigen Ladungswolke zu erwarten wäre. Man schließt daher auf die Existenz von punktförmigen Quarks im Inneren der Nukleonen. Q a) Q b) 69.2 Kraftwirkung zwischen elektrisch geladenen Teilchen. a) Eine beschleunigte Ladung sendet elektro­ magnetische Strahlung aus. Eine andere Ladung wird durch das elektrische Feld der Strahlung beschleunigt. b) Die Kraftwirkung zwischen elektrischen Ladungen kann als Austausch von Photonen aufgefasst werden. Hinweis zur Arbeitsweise der Physik Eine Vorstellung, hier der Begriff Quark, be- währt sich, indem sich mit ihrer Hilfe viele Naturvorgänge verstehen lassen. Einige in Gedanken mögliche Vorgänge werden je- doch nie beobachtet, z. B. die Freisetzung von Quarks. In der Physik bleibt der Aus- weg, die Unmöglichkeit solcher Vorgänge zum Naturprinzip zu erheben und dieses als Baustein der Theorie zu verwenden. Oft ist dieses Vorgehen erfolgreich. Wichtige Erhaltungsgesetze (Energie, Ladung, …) wurden auf diese Weise gefunden, aus ih- nen wurden weiterführende Konsequenzen abgeleitet. Gelegentlich wird mit verfeiner- ter Experimentiertechnik oder auch nach eingehender Analyse ein solches Prinzip als Irrtum erkannt, was dazu führt, dass einer längeren evolutionären Phase des Erkennt- nisgewinns eine Revolution in der Physik folgt. 69 | Teilchenphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=