Sexl Physik 8, Schulbuch

Zerfall von Teilchen Die meisten neu erzeugten Teilchen (s. Tabelle auf S. 68) sind sehr kurzlebig und zerfallen wieder in andere Teilchen.   67.1 zeigt, wie ein negatives Pion π – , das zuvor in einer anderen Reaktion erzeugt wurde, auf ein Proton trifft, wodurch Pion und Proton in zwei neutrale Teilchen, Λ 0 und K 0 , umgewandelt werden. Die er- zeugten Teilchen zerfallen nach einer Strecke d ≈ 10 cm . Da sich die Teilchen beina- he mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, können wir ihre Lebensdauer τ abschätzen: τ  > ​  d _ c ​ ≈ ​  0,1 _  3 · 10 8  ​ s ≈ 3 · 10 –10  s. Solche Lebensdauern erscheinen kurz, doch sind andere Teilchen mit Lebensdau- ern von 10 −16 s oder gar 10 −24 s noch wesentlich kurzlebiger. In der Teilchenphysik wird statt der Halbwertszeit T 1/2 die mittlere Lebensdauer τ angegeben. (Zerfalls- konstante λ = 1/ τ , daher T 1/2 = τ · ln2 . s. S. 45) Der Zerfall einzelner Teilchen erfolgt zufällig. Die zeitliche Abnahme der Teilchenzahl N ( t ) folgt dem aus der Kernphysik bekannten Exponentialgesetz: Wenn N 0 Teilchen gleichzeitig erzeugt werden, so beträgt ihre Zahl nach Verstreichen der Zeit t N ( t ) = N 0 e – t / τ . Stabile Teilchen: Photonen, Elektronen und Protonen sind nach heutigem Wissen stabile Teilchen, d. h. sie zerfallen nicht in andere, leichtere Teilchen. Neutrinos ν sind weitere stabile Teilchen (s. S. 74). Sie sind elektrisch neutral, haben eine sehr kleine, bisher noch nicht messbare Masse und bewegen sich daher fast mit Licht- geschwindigkeit. Antineutrinos werden beim β − -Zerfall der Neutronen und von Kernen gemeinsam mit Elektronen emittiert, bzw. Neutrinos beim β + -Zerfall. Fermionen Der Spin (Eigendrehimpuls) der Teilchen ist eines ihrer wichtigsten Merkmale. Teilchen mit Spin ½ Ç (z. B. Elektron, Neutrino, Proton, Neutron, Quark) heißen Fermionen (benannt nach dem italienischen Physiker E nrico F ermi (1901–1954, Nobelpreis 1938). Für Fermionen gilt das Pauli-Prinzip (Physik 7, S. 110), wonach sich zwei Teilchen im selben Quantenzustand in mindestens einer Eigenschaft unterscheiden müssen. Das Pauli-Prinzip erklärt die Schalenstruktur der Atomhüllen. Jedes Orbital kann höchstens zwei Elektronen enthalten, deren Spinrichtungen einander entgegenge- setzt sind. Bosonen Teilchen mit Spin 0 , Ç , 2 Ç , … heißen Bosonen und sind nach dem indischen Physi- ker S. B ose (1894–1974) benannt. Photonen sind Bosonen mit Spin Ç . Für Bosonen gilt das Pauli-Prinzip nicht: Beliebig viele Bosonen können denselben Zustand be- setzen. Dadurch wird z. B. die stimulierte Emission beim Laser möglich. Teilchenzahlerhaltung bei Fermionen Da viele nach dem Energiesatz mögliche Teilchenreaktionen nicht beobachtet wer- den, folgert man die Gültigkeit von Erhaltungssätzen für Größen, die wie die elektrische Ladung additiv sind. Beispielsweise wäre die Umwandlung eines Pro- tons p in ein Antiproton ​  äää  p​ in der Reaktion e –  +p ¥ e +  + ​  äää  p​ energetisch möglich. Sie würde auch den Erhaltungssatz der elektrischen Ladung nicht verletzen, jedoch wurde sie nie beobachtet. Hingegen kann man mit energie- reichen Teilchenstrahlen Antiprotonen z. B. durch die Reaktion e –  + e +  ¥ p+ ​  äää  p​ erzeugen. Man schließt daher auf die Existenz weiterer Erhaltungsgrößen – in die- sem Fall der Elektronenzahl (Differenz der Anzahl der Elektronen und der Anzahl der Positronen) und der Nukleonenzahl : Teilchenspuren sichtbar machen Das älteste Instrument ist die Nebelkammer (s. Physik 5, S. 103). Schnelle geladene Teilchen erzeugen Ionen in einem unterkühlten Dampf und dadurch Kondensationskeime, der entste- hende Kondensstreifen zeigt die Teilchen- bahnen. In Blasenkammern wird eine unter Druck ste- hende Flüssigkeit (z. B. flüssiger Wasserstoff) verwendet. Wenn nach dem Durchgang ioni- sierender Teilchen der Druck reduziert wird, setzt entlang der Ionen Sieden ein, die kleinen Dampfblasen zeigen die Teilchenbahnen an. Die Spuren werden fotografiert. Funkenkammern (  67.2 ) arbeiten elektro- nisch, die mühsame Auswertung von Fotos entfällt. Halbleiterdetektoren funktionieren wie die Sensoren von Digitalkameras. Durch die Klein- heit der Pixel erreichen sie eine hohe Orts- auflösung. Durch Anordnung in mehreren Schichten können die Bahnen dreidimensional rekonstruiert werden und bei Bedarf auf Bild- schirmen visualisiert werden. Alle anfallenden Daten werden elektronisch verarbeitet. 67.1 Bei Kollisionen von Teilchen entstehen oft neue kurzlebige Teilchen. Hier sind beim Stoß eines Pions π – gegen ein Proton (Kern eines H-Atoms) in einer Wasserstoff-Blasen- kammer zwei neutrale Teilchen (K 0 , Λ 0 ) ent- standen, die keine Spuren hinterlassen. Nach kurzer Wegstrecke zerfallen beide Teilchen in geladene Teilchen mit Spuren im Detektor. 67.2 Funkenkammern registrieren mittels tausender feiner Drähte ionisierende Teilchen. Das Gas in der Kammer des Zählers wird ent- lang der Flugbahnen der geladenen Teilchen ionisiert. Zwischen den unter Hochspannung stehenden Drähten springen Funken über, deren Orte elektronisch registriert werden. Dadurch lassen sich die Teilchenbahnen auto- matisch berechnen. 67 | Teilchenphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=