Sexl Physik 8, Schulbuch

2.3 Die Vielfalt der Teilchen Die Ergebnisse der Teilchenphysik hatten schon bald die Hoffnung zerstört, dass mit Elektron, Proton und Neutron die elementaren Bausteine der Materie bereits gefunden seien. Zahlreiche neue Teilchenarten entstehen beim Zusammenstoß energiereicher Teilchen. Welche Teilchenreaktionen sind möglich? Erhaltungsgesetze Wie in der Mechanik gelten die Erhaltungssätze von Energie, Impuls und Dre- himpuls ohne Einschränkung. Eine wesentliche Rolle spielt Einsteins Spezielle Re- lativitätstheorie und die Äquivalenz von Masse und Energie: Für die Erzeugung eines Teilchens mit der Ruhemasse m 0 wird der Energiebetrag Δ E = m 0 c 2 benötigt. Die elektrische Ladung ist eine Erhaltungsgröße , d. h. die Gesamtladung bleibt bei jeder Reaktion konstant. Einige weitere Erhaltungsgrößen werden später besprochen. Spin und die Beziehung Teilchen – Antiteilchen Wie die Newton’sche Mechanik beschreibt die Schrödinger’sche Quantenphysik das Verhalten von Teilchen nur bei kleinen Geschwindigkeiten zufriedenstellend. Eine Quantentheorie der Elektronen, die der Speziellen Relativitätstheorie ge- horcht, wurde vom Engländer P aul D irac (1902–1984, Nobelpreis 1933) aufgestellt. Sie hat zwei erstaunliche Konsequenzen: −− Teilchen besitzen einen Eigendrehimpuls (Spin) , d. h. sie verhalten sich wie Kreisel, bzw. wie kleine Magnete. Der Spin des Elektrons (wie auch von Proton und Neutron) beträgt Ç /2. ( Ç  = h/(2 π ) = 1,05 · 10 −34  J · s , gesprochen als h-quer ) −− Zum Elektron e – gibt es ein Antiteilchen e + , das dieselbe Masse wie das Elektron besitzt, jedoch eine positive Elementarladung trägt. Es kann nur zusammen mit einem Elektron erzeugt werden (  66.1 ). Das Antiteilchen zum Elektron, das Positron e + , wurde im Jahr 1932 in der kosmi- schen Strahlung entdeckt. Zu allen Teilchen gibt es Antiteilchen, z. B. hat das Anti- proton ​  äää  p​ dieselbe Masse wie das Proton, jedoch negative elektrische Ladung. Manche neutralen Teilchen wie z. B. das Photon sind ihre eigenen Antiteilchen. Zu jeder Teilchensorte gibt es Antiteilchen . Masse und Lebensdauer von Teilchen und Antiteilchen sind gleich, die elektrischen Ladungen sind entgegengesetzt. Die Erzeugung und Vernichtung von Teilchen und Antiteilchen illustriert die Be- deutung der Einstein’schen Äquivalenz von Energie und Masse. Trifft ein Positron auf ein Elektron, so ist dieses Paar insgesamt neutral. Es vernichtet sich („Paar- vernichtung“), wobei andere insgesamt neutrale Teilchen entstehen. Ein Beispiel ist die Paarvernichtung in zwei γ -Quanten: e +  + e –  ¥γ + γ . Da die γ -Quanten masselos sind, werden die kinetische Energie und die Masse von Elektron und Positron vollständig in Energie der γ -Quanten umgewandelt. Es han- delt sich bei den γ -Quanten um energiereiche Röntgenstrahlung, wie sie bei einer mit 500 kV betriebenen Röntgenröhre entstehen würde.  Positronen in der Medizin: Positronen-Emissions-Tomografie (PET) Positronen emittierende Radionuklide ( β + -Strahler), z. B. das Fluor-Isotop 18 F ( T 1/2 = 110min) , werden in chemische Substanzen eingebaut, die vor allem in Tu- moren gespeichert und im Organismus verstoffwechselt werden. Diese Substan- zen werden Patienten in die Blutbahn injiziert. Anschließend wird die Vertei- lung der Radionuklide im Körper untersucht. Beim Zerfall des Radionuklids treffen die Positronen sofort auf Elektronen und werden vernichtet. Zwei γ - Quanten entstehen. Wegen der Impulserhaltung (Gesamtimpuls Null) verlassen die γ -Quanten den Körper in entgegengesetzten Richtungen. Sie werden gleich- zeitig in Zählern registriert, die um den Körper verteilt sind. Aus den Richtun- gen wird der Entstehungsort (z. B. ein Tumor) bestimmt (  66.3 ). 66.1 Ein im Bild von oben kommendes γ - Quant (ungeladen, daher unsichtbar) erzeugt in flüssigem Wasserstoff ein Elektron-Po- sitron-Paar (e – e + -Paar, grüne/rote Spirale). Das Elektron schlägt aus einem Atom ein weiteres Elektron (lange Einzelspur) heraus. Dieses strahlt durch Bremsstrahlung ein γ -Quant ab, das ein zweites e – e + -Paar (Spuren am unteren Bildrand) bildet. (Spuren der Positronen sind rot dargestellt.) 66.2 Ein Antiproton ​  äää  p​trifft in flüssigem Was- serstoff auf ein ruhendes Proton. Bei diesem Zusammenstoß von Antimaterie mit Materie werden Proton und Antiproton vernichtet, und kurzlebige Pionen (π + , π – ) werden erzeugt. Da- bei wird Ruhemasse in Energie umgewandelt. 66.3 Untersuchung im Positronen-Emissi- ons-Tomografen (PET-Scanner). Der Patient ist ringförmig von Detektoren umgeben: Sie mes- sen die bei der e – e + -Vernichtung erzeugten γ - Quantenpaare. Dadurch kann ihr Entstehungs- ort und damit auch der Krankheitsherd berechnet werden.  66 Teilchenphysik Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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