Sexl Physik 8, Schulbuch

2.2 Beschleuniger und Detektoren Um die Struktur von Elektronen, Protonen, Neutronen und Atomkernen zu unter- suchen, schießt man diese Objekte aufeinander. Dabei kann es zu elastischen Stö- ßen kommen, bei denen die Stoßpartner unverändert bleiben. Viel häufiger sind unelastische Stöße , wobei die Stoßpartner verändert werden und weitere Teilchen erzeugt werden. Aus den beobachteten Endprodukten werden Schlüsse über die Struktur der Objekte und die wirkenden Kräfte gezogen. Dabei hat sich gezeigt, dass Proton und Neutron zusammengesetzte Teilchen sind und einen Radius von rund 10 −15 m haben. Das Elektron hat sich bisher als punktförmig erwiesen, jeden- falls ist es kleiner als 10 −18 m . Um die Stoßpartner auf weniger als 10 −15 m einander nahezubringen, müssen sie hohe kinetische Energie besitzen. Dazu dienen Beschleuniger , in denen geladene Teilchen durch elektrische Felder beschleunigt werden. Die Teilchenenergie nimmt proportional zur durchlaufenen elektrischen Spannung zu. Linearbeschleuniger Geladene Teilchen (Elektronen, Protonen, Ionen) werden in einem geraden eva- kuierten Rohr durch viele hintereinander geschaltete Hochspannungsstrecken be- schleunigt (  65.2 ). Eine Anlage dieser Art von 3,2 km Länge wurde 1966 in Stan- ford (USA) gebaut. Elektronen wurden auf eine Energie von 20 GeV gebracht und auf ein Target (engl. für „Ziel“) aus flüssigem Wasserstoff bzw. Deuterium geschos- sen. Wie beim Rutherford’schen Experiment schloss man aus der Winkelverteilung der gestreuten Elektronen, dass Proton und Neutron punktförmige Bestandteile, die Quarks , enthalten. Zirkularbeschleuniger Indem man die Beschleunigungsstrecken in einem Kreis anordnet, können sie vielmals durchlaufen werden. Führungsmagnete halten die Teilchen auf der Kreisbahn. Während der Beschleunigung der Teilchen muss das Magnetfeld an- wachsen, damit der Bahnradius gleich bleibt ( Synchrotron ). Dadurch sind höhere Energien als in Linearbeschleunigern möglich. Die größte Anlage ist derzeit der Large Hadron Collider (LHC) am Europäischen Forschungszentrum CERN in Genf. In einem Tunnel von 27km Länge werden in zwei Vakuumrohren gegenläufig Protonen auf maximal 7000 GeV Energie beschleu- nigt. Die Teilchenstrahlen kreuzen einander in riesigen Detektoren, in denen die Protonen kollidieren und die Reaktionsprodukte registriert werden (  65.3 ). Die Anlage ist eine technische Meisterleistung: Das Vakuum in den Strahlrohren ist zehnmal besser als am Mond. Die mehr als 2000 supraleitenden Magnete wer- den mit flüssigem Helium auf –271 °C gekühlt. Die Protonenstrahlen sind 16μm dick. Detektoren In den Detektoren werden die Bahnen aller geladenen Teilchen registriert, die bei den Zusammenstößen, den Ereignissen, entstehen. Ein starkes Magnetfeld im In- neren des Detektors krümmt die Teilchenbahnen je nach der Ladung und dem Impuls der Teilchen. Tausende elektronische Zähler (ähnlich dem Geiger-Müller- Zähler) registrieren die Teilchenbahnen, woraus die Energien und Impulse der Teilchen berechnet werden. Neutrale Teilchen erzeugen keine Spuren. Die Daten werden zur automatischen Auswertung direkt an Computer übermittelt. Die Ent- scheidung, ob ein Ereignis aufgezeichnet werden soll, wird automatisch getroffen. Kurzlebige neutrale Teilchen können durch ihre geladenen Zerfallsprodukte erfasst werden. Die Entwicklung und Wartung der Detektoren (  65.4 ), die Pro- grammierung, die Datenauswertung und die Interpretation der Ergebnisse erfolgen arbeitsteilig durch große Arbeitsgruppen, deren Mitglieder in Forschungsinstitu- ten verschiedener Länder einschließlich Österreich beheimatet sind.  Untersuche, überlege, forsche: Informationen zum LHC 65.1 W 2  Informiere dich unter www.lhc-facts.ch über die Komponenten des LHC-Systems. Fasse in einer kurzen Präsentation einen Bereich zusammen. 65.1 Das Gelände des CERN liegt auf Schweizer und französischem Gebiet. Der erste Beschleuniger, das Protonsynchrotron (PS, seit 1959 in Betrieb), wurde oberirdisch ge- baut, das Superprotonsynchrotron (SPS) und LHC (Large Hadron Collider) unterirdisch. In vier unterirdischen Hallen befinden sich die riesigen Messgeräte. Österreich beteiligt sich am CERN-Budget mit ca. 20 Mill. € pro Jahr. -- -- -- -- Quelle Teilchenpaket Strahl 65.2 Linearbeschleuniger schematisch: Aus der Quelle treten geladene Teilchen aus. Sie werden zwischen den zylindrischen Elektroden durch eine hochfrequente Wechselspannung beschleunigt. Die Spannung polt sich im pas- senden Takt um, so dass die kinetische Energie der Teilchen zunimmt. p Protonen Ionen Booster Proton Ion Linacs PS SPS LHC 65.3 Eine Reihe von Beschleunigern ist für das Füllen des LHC (Large Hadron Collider) mit Protonen notwendig, bis sie schließlich auf 7000 GeV Energie gebracht werden. Seit 2010 kolllidieren im LHC Protonen in vier großen Detektoren und erzeugen neue Teilchen. 65.4 Der CMS-Detektor am LHC beim Auf- bau. Der Detektor ist 15m hoch/breit, 29m lang und wiegt 14 000 t! Alle 25ns kreuzen sich hier die gegenläufigen Pakete der beschleunig- ten Teilchen (Protonen, Bleikerne). In den Teil- chenkollisionen entstehen jeweils hunderte Teilchen. Das Magnetfeld einer supraleitenden Spule im Detektor krümmt die Spuren gelade- ner Teilchen. Ihre Bahnen werden von Millio- nen Siliciumdetektoren auf 0,01mm genau er- fasst. Eine gewaltige Herausforderung an die Datenverarbeitung ist es, aus den Millionen Kollisionen pro Sekunde jene 100 heraus zu filtern, die weiter analysiert werden sollen. 65 | Teilchenphysik Nur zu Prüfzwecken – Eige tum des Verlags öbv

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