Sexl Physik 8, Schulbuch

Die Drohung mit nuklearen Sprengköpfen, die in wenigen Minuten jeden Punkt der Erde erreichen können, war 45 Jahre lang ein wesentliches Element des weltpolitischen Führungsanspruchs der Nuklearmächte und verhinderte durch ein „Gleichgewicht des Schreckens“ Kriege mit Kernwaffeneinsatz. Seit den 90iger Jahren des 20. Jh. wurden von den USA und Russland die START Verträge (Strategic Arms Reduction Talks) unterzeichnet. In der Folge wurden die Anzahl der nuklearen Sprengköpfe für Interkontinentalraketen stark reduziert, Kurzstreckenraketen vernichtet und die permanente Alarmbereitschaft der Langstreckenbomber und Interkontinentalraketen aufgehoben. Gegenseitige Inspektionen sollten das Vertrauen in die Umsetzung der Abrüstung stärken. Ein Problem bei der Reduktion der Kernwaffen war (und ist) die sichere Verwahrung bzw. Verwertung des aus den verschrotteten Sprengköpfen gewonnenen spaltbaren Materials. Die Weiterverbreitung („Proliferation“) der Kernwaffen, unter anderem durch die Weitergabe von Reaktorbrennstoff, soll durch den Kernwaffensperrvertrag (NPT, Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons; 1968) verhindert wer- den. Dessen Überwachung ist eine Aufgabe der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien. Damit soll verhin- dert werden, dass neben den offiziellen Atommächten auch andere Staaten über Atomwaffen verfügen (  54.4 ).  Untersuche, überlege, forsche: Atomwaffen 55.1 S 1  Welche Rolle spielte Einstein beim Bau der ersten Atombombe? Lies dazu Ein- steins Briefe an den amerikanischen Präsidenten Roosevelt: http://hypertextbook. com/eworld/einstein.shtml. Informiere dich über die historischen Hintergründe. 55.2 S 1  Welche Arten von Waffen gibt es und wie groß schätzt man ihr Potenzial ein? Welche politischen und technischen Entwicklungen gibt es in der Gegenwart? Er- kundige dich über den aktuellen Stand der START-Abkommen. Kernreaktoren Die Geschichte der Kernreaktoren ist eng mit der Geschichte der Atombombe ver- knüpft. Die ersten Kernreaktoren wurden 1943 im Rahmen des Manhattan-Projek- tes gebaut und dienten der Gewinnung von PU-239 , das für die Herstellung der ers- ten Atombomben benötigt wurde. Heute dienen Reaktoren überwiegend der Gewinnung elektrischer Energie (  56.2 ). Zu Jahresbeginn 2019 waren laut Anga- ben der IAEA in 31 Staaten 453 Reaktoren in Betrieb, 55 (davon 11 in China) in Bau. Die elektrische Gesamt-Nettoleistung der weltweit in Betrieb stehenden Kernkraft- werke betrug Anfang 2018 rund 400 000MW . Der Anteil der Kernenergie an der globalen Stromproduktion lag bei rund 11%. Das physikalische Konzept von Kernreaktoren Was sind die physikalisch-technischen Voraussetzungen dafür, dass eine Kettenre- aktion kontrolliert aufrechterhalten werden kann? Welches spaltbare Material ist dafür geeignet? Wie lässt sich ein Kernreaktor „abschalten“? Kerne des Isotops U-238 absorbieren Neutronen ohne dadurch gespalten zu werden. Sie wandeln sich durch zweimaligen β -Zerfall in Plutonium ​ 239 94 ​Pu um. In reinem U-238 kann daher keine Kettenreaktion ablaufen. Die Kerne des Isotops U-235 lassen sich andererseits so leicht spalten, dass eine spontan eintretende Kettenreaktion von reinem U-235 nur schwer kontrolliert wer- den kann. In den meisten Kernreaktoren wird als Brennstoff daher angereichertes Uran verwendet, bei dem der Anteil an U-235 bei rund 2–3% liegt, während natür- liches Uran nur 0, 7% U-235 enthält. Die Spaltung von Kernen des Isotops U-235 ist umso wahrscheinlicher, je langsa- mer die Neutronen sind. Deshalb werden die bei der Spaltung frei werdenden Neu- tronen durch einen Moderator , meist Wasser, bis auf Energien von einigen Hun- dertstel Elektronvolt abgebremst. Dies entspricht der Bewegungsenergie leichter Teilchen bei Zimmertemperatur („thermische Neutronen“). Um die Kettenreaktion im Reaktor kontrolliert ablaufen zu lassen, muss der Multi- plikationsfaktor genau Eins sein. Dies wird durch Regelstäbe aus Cadmium erzielt, das Neutronen besonders gut absorbiert. Sobald die Regelstäbe in den Reaktor ge- schoben werden, absorbieren sie einen Großteil der langsamen Neutronen, so dass der Multiplikationsfaktor unter Eins sinkt und die Kettenreaktion erlischt. Bei sta- tionärem Betrieb des Reaktors werden die Regelstäbe so weit herausgezogen, dass der Multiplikationsfaktor genau Eins beträgt. Treten beim Reaktorbetrieb Schwie- rigkeiten auf, so fallen die Regelstäbe automatisch in den Reaktor und unterbre- chen die Kettenreaktion. 55.1 24 Interkontinentalraketen auf einem Atom-U-Boot der USA. Die USA verfügte im Jahr 2009 über 14 Atom-U-Boote mit je 24 Inter­ kontinentalraketen von denen jede bis zu 8 Kernwaffen tragen kann. Russland besaß 13 Atom-U-Boote. 55.2 Kernkraftwerke sind Wärmekraft­ werke. Die auffälligen Kühltürme werden zur Kondensation von Wasserdampf benötigt. Die Reaktoren selbst befinden sich in den kleine- ren kuppelförmigen Gebäuden daneben. Aktuelle Informationen über Kernkraftwerke sind im Internet z. B. unter pris.iaea.org und nuclearforum.ch zu finden. 55 | Kernphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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