Sexl Physik 8, Schulbuch

Die Atombombe und ihre Folgen Bereits in den ersten Monaten des Jahres 1939 wurden mehr als fünfzig Artikel über Kernspaltung veröffentlicht. Plötzlich wurde den beteiligten Physikern in den USA und Europa bewusst, dass man damit eine ungeheure Energiequelle erschlossen hatte. Die weltpolitische Lage war gespannt, der Zweite Weltkrieg stand unmittelbar bevor und ein Vorhang der Geheimhaltung senkte sich über die weitere Arbeit der Physiker. In den USA befürchtete eine kleine Gruppe von Physikern, darunter L eo S zilard , E ugen W igner und E dward T eller , dass Physi- ker in Deutschland unter der Leitung von W erner H eisenberg die Kernspaltung zum Bau einer Bombe nutzen könnten. A lbert E instein informierte in Briefen Präsident R oosevelt von der Gefahr einer deutschen Atombombe: „This new phenomenon would also lead to the construction of bombs, and it is conceivable – though much less certain – that extremely powerful bombs of a new type may thus be constructed.“ (A. Einstein an Th. Roosevelt, 2. August 1939, Auszug.) Die Möglichkeit, Energie durch eine kontrollierte Kettenreaktion zu gewinnen, wurde drei Jahre später am 2. Dezember 1942 von E nrico F ermi an der Universi- tät von Chicago mit dem ersten Kernreaktor der Welt demonstriert. Die Reaktor- leistung betrug etwa 0,5W oder 10 10 Spaltungen pro Sekunde. Die Einleitung der ersten Kettenreaktion war nur der erste Schritt zur Atom- bombe. Zum Bau einer Bombe benötigt man ein leicht spaltbares Material mit einem hohen Multiplikationsfaktor, wie z. B. das Uranisotop U-235 oder das Plu- toniumisotop Pu-239 . Unter dem Decknamen Manhattan-Projekt wurde nahe Los Alamos im Süden der USA ein großes Forschungszentrum errichtet, um die- se Isotope in ausreichenden Mengen zu gewinnen und die technischen Voraus- setzungen zum Bau von Atombomben zu schaffen. Natürliches Uran besteht nämlich zu 99,3% aus U-238 und nur zu 0,7% aus U-235 . Die Trennung der beiden Isotope erwies sich als sehr schwierig und erforderte die Entwicklung neuer Verfahren. Am 16. Juli 1945 explodierte die erste Atombombe auf einem Forschungsgelände in New Mexico. Drei Wochen später zerstörte die amerikanische Luftwaffe die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben. Die über Hi- roshima abgeworfene Bombe setzte 12,5 kt TNT-äquivalente Energie frei. (TNT, Trinitrotoluol, ist ein Sprengstoff. Zur Beschreibung der Stärke von Atombom- ben wird angegeben, welche Menge TNT die gleiche Sprengkraft hätte.) Die bei- den Bomben forderten 200000 Tote und 100000 Verletzte. Schädigungen des Erbguts belasteten auch die nachfolgenden Generationen. Vor allem die durch die ionisierende Strahlung verursachten Schäden an den Bevölkerung gelten als ewige Mahnung für die Menschheit. Die Energie, die bei einer nuklearen Explosion freigesetzt wird, führt zu einer Explosions-Druckwelle, zu extremer Wärmestrahlung und zu ionisierender Strahlung . Unmittelbar nach der Explosion beträgt die Temperatur des Nuklear- materials einige Millionen Grad. Das gesamte Bombenmaterial geht daher in Gasform über. Ein sich ausdehnender Feuerball steigt hoch. Noch in 100 km Ent- fernung leuchtet er heller als die Mittagssonne. Die Wärmestrahlung einer Bom- be von 1Mt Sprengkraft entzündet noch in einer Entfernung von 11 km Papier. Die durch die Zündung verursachte Druckwelle von bis zu 20bar Überdruck (schon bei etwa 0,5bar stürzen Ziegelbauten ein) verursacht weitere Zerstörun- gen. Es entstehen orkanartige Stürme und Großfeuer. Die Wirkung von Atom- bomben wurde bei zahlreichen oberirdischen (zwischen 1945 und 1980) und un- terirdischen Tests untersucht. Das Wettrüsten seitens der USA und Russlands führte zur Entwicklung immer größerer und wirksamerer Kernwaffen. Der Bauplan für die Wasserstoffbombe, die zunächst in den USA entwickelt wurde, war durch Spionage wenig später auch in den UdSSR bekannt. Interkontinentalraketen erlauben es, Bomben in je- des beliebige Gebiet der Erde zu transportieren. Weltweit verfügen die neun Atommächte derzeit (2017) etwa über 15000 nuklea- re Sprengköpfe, wobei ein Teil jederzeit einsatzbereit auf Trägern (z. B. ballisti- schen Raketen) installiert ist. 54.1 A lbert E instein und J ohn R obert O ppenheimer , der „Vater der amerikanischen Atombombe“ (rechts), um 1950. 54.2 Die Uranbombe „Little Boy“ wurde am 6. August 1945 auf Hiroshima abgeworfen. 54.3 Oberirdischer Kernwaffentest der USA in der Wüste von Nevada um 1952 Nukleare Sprengköpfe 2010 NPT wurde unter­ zeichnet USA 6450 (1750) ja Russland 6850 (1600) ja GB 215 (120) ja Frankreich 300 (280) ja China 240 ja Indien 80 nein Pakistan 90 nein Israel 80 nein Nordkorea 10? nein 54.4 Geschätzte Anzahl der nuklearen Spreng- köpfe 2017, in Klammer die Anzahl der einsatz- bereiten Sprengköpfe. (SIPRI, Annual Report 2017). NPT ist der Kernwaffensperrvertrag . 15 000 nukleare Sprengköpfe haben etwa die 2000fache Sprengkraft aller im 2. Weltkrieg ge- fallenen Bomben.  54 Kernphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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