Sexl Physik 8, Schulbuch

Allgemein gilt, dass beim Auftreten zusätzlicher radioaktiver Strahlung, etwa durch einen Fallout (radioaktiver Regen oder Staub, …) nach einem Unfall in einem Kernkraftwerk folgende Regeln zu beachten sind: −− Vermeidung einer Kontamination (Verunreinigung) des Lebensraums mit ra- dioaktiven Substanzen. Dies gilt besonders für die Körperoberfläche, daher ist auf Sauberkeit (Kleidung, Wohnung, Hygiene) zu achten. −− Vermeidung von Inhalation radioaktiver Substanzen (z. B. Staub). −− Vermeidung der Aufnahme radioaktiver Substanzen in der Nahrung. −− Bei Strahlenalarm ist, falls möglich, ein Schutzraum aufzusuchen und dort das teilweise Abklingen der Strahlung abzuwarten (bei I-131 beträgt die Halbwerts- zeit 8 Tage ). −− Beachtung der Empfehlungen der Behörden. d) Die biologische Wirkung ionisierender Strahlung Wie werden Grenzwerte gesetzt und was bewirkt ionisierende Strahlung im menschlichen Organismus? Wir wissen bereits, dass ionisierende Strahlung Mole- küle spaltet und Radikale erzeugt. Wird die Strahlung im Plasma einer Zelle ab- sorbiert, so wird dank der großen Anzahl von Molekülen der Zellstoffwechsel kaum beeinflusst. Wird hingegen, was entsprechend seltener vorkommt, der Zell- kern getroffen, so entstehen Schäden an der DNA, dem Träger der genetischen In- formation. Die Zelle verfügt über Enzyme, die derartige Schäden (wie sie auch als Folge der Einwirkung chemischer Substanzen oder sogar ohne erkennbare Ursa- che entstehen können) repariert. Gelingt diese Reparatur nicht, so stirbt die Zelle ab oder aber es treten Mutationen des Erbgutes auf und die Zelle entartet zur Krebszelle. Bei der Schädigung von Keimzellen kann es zu Mutationen und Schä- den an der Nachkommenschaft kommen. Während der Zellteilung ist die Repara- tur nicht möglich. Daher sind Embryonen und im Wachstum befindliche Kinder, aber auch blutbildende Systeme oder die Haut von Erwachsenen besonders gefähr- det. Man nimmt heute an, dass die Häufigkeit von strahleninduzierten Mutationen line- ar mit der Dosis ansteigt. Die Wahrscheinlichkeit für eine Mutation ist sehr gering. Sie wird mit 10 −5 bis 10 −4 pro Zelle und pro Sievert angegeben. Wird eine große An- zahl von Zellen abgetötet, kommt es zur Schwächung des Immunsystems, zu Stö- rungen im Fortpflanzungssystem und zu einer Verringerung der Anzahl der Blut- zellen. Bei einer einmaligen Dosis von 0,15Sv kann es zur Strahlenkrankheit kommen. Das dabei auftretende akute Strahlensyndrom äußert sich vor allem in Übelkeit, Störungen des Blutbilds und des Wasser- und Elektrolythaushaltes. Eine Ganzkör- perdosis von 3Sv führt innerhalb von 30 Tagen in etwa 50% der Fälle zum Tod. Da viele Mechanismen zu Zellschäden führen und da Krebs im Allgemeinen erst Jahr- zehnte nach einem derartigen Schaden auftritt, ist für den Einzelfall eine eindeu- tige Zuordnung nicht möglich. Bisherige epidemiologische Untersuchungen haben gezeigt, dass schwache Dosen zu keiner statistisch signifikanten Erhöhung der Krebsrate führen. Das Risiko, an strahleninduzierten Tumoren zu sterben, beträgt bei einer einmaligen Ganzkörperdosis von 100mSv etwa 0,8% , bei lebenslanger Be- lastung mit 1mSv/a vermutlich weniger als 0,6% . Die Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor ionisierender Strahlung orientieren sich an den Empfehlungen des International Commission on Radiation Protection (ICRP). Sie besagen unter ande- rem: Jeder Betrag an Strahlung stellt ein Schadensrisiko dar. Jede über die natürliche Strahlenbelastung hinausgehende Dosis sollte so niedrig sein, wie dies unter Berücksichtigung aller relevanten sozialen, wirtschaftlichen und medizinischen Faktoren möglich ist. 50.1 Nach der Entdeckung des Radiums wurde Wasser mit zugefügtem Radium als Heilmittel angeboten. Dies führte um 1930 zu schweren Strahlenschäden einzelner Konsumenten. Radonhaltiges Wasser wird auch heute noch zur Therapie in Heilbädern wie Bad Gastein angewendet. 50.2 Ein nach der Katastrophe von Tschernobyl geborenes, missgebildetes Kind (Minsk, 1992).  50 Kernphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=