Sexl Physik 8, Schulbuch

Zerfallsgesetz Sind anfänglich N 0 Kerne eines radioaktiven Isotops vorhanden, so existieren nach einer Zeitspanne t nur noch N ( t ) = N 0 e – λ t Kerne dieses Isotops. λ bezeichnet man als Zerfallskonstante. Die Halbwertszeit T 1/2 gibt die Zeitspanne an, nach der die Hälfte der ursprünglich vorhandenen Kerne zerfallen ist. Sie ist für jedes Isotop verschieden. Es gilt: T 1/2  = ln 2/ λ . Die Anzahl der pro Sekunde zerfallenden Kerne ist also der Zahl der noch vorhan- denen Kerne proportional. Bei radioaktivem Iod, I-131 , das in Kernreaktoren ent- steht, zerfallen z. B. von einer Milliarde Kerne rund 1 000 Kerne pro Sekunde. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein bestimmter Iodkern innerhalb einer Sekunde zerfällt, beträgt also 10 −6 , daher ist λ  = 10 −6 s −1 und T 1/2 ≈ 8d . Sie ist unabhängig davon, wie viel Zeit seit der Erzeugung des I-131 bereits vergangen ist. Der radioaktive Zerfall von Kernen lässt sich durch chemische und physikalische Prozesse nicht beeinflussen. Die Aktivität einer radioaktiven Substanz kann man nicht beeinflussen. Man muss warten, bis sie von selbst abklingt. Die Menge eines radioaktiven Isotops verrin- gert sich durch den Zerfall ständig. Woher stammen die radioaktiven Substanzen auf unserer Erde? Man nimmt an, dass die heute im Erdinneren vorhandenen radioaktiven Elemente Uran, Thorium und Kalium-40 Relikte aus der Entstehungszeit des Sonnensystems sind. Sie haben sich bei Kernumwandlungen in früheren Sterngenerationen gebildet. Überreste dieser Sterne waren Teil der Gaswolke, aus der das Sonnensystem vor rund 5 Milli- arden Jahren entstanden ist. Die kurzlebigen radioaktiven Elemente zerfielen bald, aber einige sehr langlebige Isotope, wie z. B. Uran-238 mit einer Halbwertszeit von 4,5Mrd. Jahren , sind noch vorhanden. Sie bilden Ausgangspunkte der natürlichen Zerfallsreihen (  44.2 ). Diese Reihen beginnen jeweils mit einem langlebigen Iso- top, bei dessen Zerfall fortlaufend radioaktive Isotope neu entstehen. Radium-226 mit einer Halbwertszeit von 1 620 a wird dadurch ständig nacherzeugt. Radioaktive Elemente sind in unterschiedlicher Konzentration in allen Gesteinen enthalten. Die beim Zerfall frei werdende Energie verursacht die hohen Tempera- turen im Erdinneren. Besonders radioaktiv ist Granit. Ein Kubikkilometer Granit liefert ca. 2770 Watt !  Experiment: Der radioaktive Ballon 45.1 E 1 Du brauchst: einen Luftballon, einen Geigerzähler Blase den Luftballon auf und lade ihn durch Reiben mit Wolle (oder fettfreiem Haar) elektrisch auf. Hänge den Luftballon so auf, dass er sich nicht durch Kontakt mit leitenden Objekten entlädt. Lass nach 10 bis 30 Minuten die Luft aus dem Bal- lon und miss mit einem Geigerzähler die Aktivität auf der Ballonhaut. Das elektrische Feld lässt Ionen der Tochterprodukte des Radon in der Raumluft zum Ballon wandern. Die beträchtliche Flächenänderung beim Auslassen des Bal- lons ermöglicht es, ein deutliches Signal zu erkennen. Die Luftballonhaut kann als Modell für die Lungenoberfläche dienen. Radon-Folgeprodukte werden an der Lungenoberfläche abgelagert, wo die ionisierende Strahlung in den teilungsfähi- gen Basalzellen zu Strahlenschäden führen kann (s. S. 50). Marie Curie und Lise Meitner – Physikerinnen trotz Hindernissen In Österreich-Ungarn konnten Frauen erst ab 1897 an Universitäten Physik und verwandte Fächer studieren, das Medizinstudium wurde erst 1900 möglich, das Studium an einer technischen Hochschule erst 1919. Diese Studienhindernisse gibt es heute nicht mehr, trotzdem ist der Frauenanteil in Physik und Technik geringer als in anderen Fächern. Vier international anerkannte österreichische Physikerinnen werden auf S. 120–121 vorgestellt. 45.1 Geysire beziehen ihre Energie aus der im Erdinneren beim Zerfall radioaktiver Nuklide entstehenden Wärme. 45.2 Die österreichische Physikerin L ise M eitner (1878 Wien − 1968 England) maturierte als ex- terne Schülerin am Akademischen Gymnasium in Wien, da bis 1898 Mädchen Gymnasien nicht besuchen durften. 1906 promovierte sie als zweite Frau an der Universität Wien in Physik. (Das Bild oben zeigt die 28-Jährige nach der Promotion.) Einer ihrer Lehrer war Ludwig Boltzmann. Ihr Interesse für Kernphysik führte sie nach Berlin, wo sie ab 1907 mit Otto Hahn als Gast unbezahlt arbeitete. Eine bezahlte Stelle erhielt sie 1913, 1926 wurde sie Profes- sorin. Mit Otto Hahn entdeckte sie zahlreiche Radionuklide. Als Jüdin musste sie 1938 nach Schweden fliehen. Otto Hahn entdeckte im Dezember 1938 die Kernspaltung (Nobelpreis 1944) als Ergebnis der gemeinsamen Arbeit. Sofort konnte Lise Meitner die Kernspaltung als Zerplatzen des Urankerns deuten (s. S. 53). Bild unten: Lise Meitner diskutiert 1959 mit US-amerikanischen Studentinnen. 45 | Kernphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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