Sexl Physik 8, Schulbuch

Die Radien der Atomkerne Um den Radius eines Atomkerns zu bestimmen, schießt man Elektronen mit Ener- gien von einigen hundert MeV auf Atome. Die hochenergetischen Teilchen durch- queren die Elektronenhülle fast ohne Ablenkung und werden nur am Atomkern selbst gestreut (  40.1 ). Aus der Winkelverteilung der gestreuten Elektronen lässt sich der Radius der Atomkerne berechnen. Nimmt man an, dass der Kern nähe- rungsweise kugelförmig und die Masse in ihm gleichmäßig verteilt ist, so ist zu vermuten, dass das Kernvolumen ( 4/3 ) π r 3 proportional zur Masse und damit zur Massenzahl A ist. Für den Radius ergibt sich damit r A 1/3 . Das Experiment bestä- tigt diese Vermutung und liefert den Proportionalitätsfaktor: Der Radius eines Atomkerns mit der Massenzahl A beträgt r ≈ 1,2 · 10 −15 · A 1/3 m. Die Atomkerne sind demnach etwa 100 000-mal kleiner als die Atome. Für A = 1 er- halten wir den Protonen- bzw. Neutronenradius r ≈ 1,2 · 10 −15 m . Die Kernkraft Die hohe Bindungsenergie der Atomkerne bedeutet, dass die Teilchen im Kern durch eine besonders starke Kraft aneinander gebunden sind. Man bezeichnet die- se Kraft als starke Kernkraft . Die starke Kernkraft ist stärker als die elektrische Abstoßung der Protonen und ermöglicht die Bildung stabiler Kerne. Die Eigenschaften der Kernkraft können mittels Streuung erforscht werden. Mes- sungen zeigen, dass zwischen zwei Protonen, zwei Neutronen und auch zwischen Proton und Neutron anziehende Kräfte wirken, falls der Abstand dieser Teilchen kleiner als 3 · 10 −15 m ist. Die Kernkraft hat also nur eine geringe Reichweite und fällt wesentlich schneller als 1/ r 2 ab. Sie unterscheidet sich dadurch von der elektri- schen Kraft und der Gravitationskraft. Die Protonen und Neutronen im Atomkern sind durch starke Kräfte (Kernkräfte) an einander gebunden. Diese Kräfte haben eine sehr kurze Reichweite, d. h. sie sind ab einer Entfernung von 3 · 10 −15 m vernachlässigbar klein. Diesem Ergebnis entsprechen auch Messungen der Bindungsenergie der Atom­ kerne. (  40.2 ) Jedes Teilchen im Kern wird nur von den nächsten Nachbarn angezogen, nicht aber von den weiter entfernten. Daher steigt die Bindungsenergie pro Nukleon nicht mit der Massenzahl an, wie dies bei einer Kraft mit größerer Reichweite der Fall wäre. Die Experimente zeigen vielmehr, dass die Bindungsenergie pro Nukle- on bei sehr massereichen Atomkernen geringer ist. Dies ist auf den Einfluss der elektrischen Abstoßungskräfte zurückzuführen. Jedes Proton im Atomkern wird von allen anderen Protonen elektrisch abgestoßen. Dagegen üben nur die nächsten Nukleonen anziehende Kräfte aus, die das Nukleon im Kern festhalten. Bei schwe- ren Kernen wird die Abstoßung stärker, da mehr abstoßende Protonen vorhanden sind. Atomkerne mit hoher Ordnungszahl weisen mehr Neutronen als Protonen auf. Dadurch vergrößert sich der mittlere Abstand zwischen den Protonen, und die elektrische Abstoßung verringert sich. Diese Überlegungen erklären, warum man die Kernkraft als starke Wechselwir- kung bezeichnet. Die Wechselwirkungen, die einen Kernbaustein an die nächsten Teilchen binden, kompensieren nicht nur die elektrostatische Abstoßung zwischen den Protonen, sie sind auch um bis zu 100-fach stärker.  Untersuche, überlege, forsche: Grundkräfte 40.1 W 2  Überlege, welche Bedeutung Gravitationskraft, elektromagnetische Kraft und Kernkraft in der Natur haben. Warum ist die Gravitationskraft im Unterschied zu den anderen Kräften nur bei großer Entfernung relevant? Elektron Minimum Minimum Maximum Maximum Kern 40.1 Bei der Streuung hochenergetischer Elektronen am Atomkern treten Interferenzen auf. Aus dem Interferenzmuster lässt sich der Radius der Atomkerne bestimmen. 0 3 6 9 mittlere Bindungsenergie ∆ / in MeV E A 0 30 60 90 120 150 180 Massenzahl A 4 He 56 Fe 235 U Energiefreisetzung durch Kernspaltung Energiefreisetzung durch Kernfusion 2 H 210 240 40.2 Die Bindungsenergie pro Nukleon im Atomkern hängt von der Massenzahl ab. Eisen hat die höchste Bindungsenergie pro Nukleon, daher sind die Nukleonen im Kern stärker ge- bunden als in allen anderen Kernen. Eisen ist damit das stabilste Element im Perioden­ system. Bei der Fusion von leichten Kernen ( A < 56) und bei der Spaltung von schweren Kernen ( A > 56) wird Energie frei.  40 Kernphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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