Sexl Physik 8, Schulbuch

Kernphysik In diesem Kapitel erfährst du, − − wie Atomkerne aufgebaut sind, − − wie man aus Atomkernen Energie gewinnen kann, − − was eine MRT ist, − − wie radioaktive Strahlung entsteht und wie man sie messen kann, − − wie man radioaktive Strahlung in Wissenschaft und Medizin nützt, − − wie man sich vor radioaktiver Strahlung schützen kann, − − wie Atombomben funktionieren, − − wie Kernkraftwerke funktionieren 1 Die Geschichte der Kernenergie ist eines der faszinierendsten Kapitel der physika- lischen Forschung. Am Beginn des 20. Jahrhunderts war die Kernphysik ein Gebiet der Grundlagenforschung. Sie bot Einblick in kleinste Dimensionen und ermöglich- te ein vertieftes Verständnis des Aufbaus der Materie. H enri B ecquerel (1852–1908) entdeckte 1896, dass bestimmte Substanzen ionisierende Strahlen aussenden. Der britische Chemiker und Physiker E rnest R utherford (1871–1937) fand durch Be- schießen von Atomen mit α -Strahlen den Atomkern. 1898 entdeckte die in Paris lebende, gebürtige Polin M arie C urie (1867–1934) die radioaktiven Elemente Radi- um und Polonium. Es zeigte sich, dass Isotope vieler Elemente – besonders jener mit hohen Ordnungszahlen – nicht stabil sind, sondern zerfallen und dabei α -Teil- chen (Heliumkerne) oder β -Teilchen (Elektronen) emittieren, meist zusammen mit elektromagnetischer Strahlung (Gammastrahlung). Die optimistische Erwartung, mit radioaktiven Arzneien ein medizinisches Wundermittel gefunden zu haben, wurde durch die Erfahrung enttäuscht: Radioaktive Strahlung wirkt ionisierend und ist daher für den Menschen bei entsprechender Dosierung gefährlich. Die wei- tere Entwicklung ermöglichte es der Medizin, diese Strahlen zur Diagnose und Therapie zu nutzen. Das Phänomen Radioaktivität wies darauf hin, dass Atomkerne nicht unteilbar sind, sondern aus Teilchen bestehen. Die Bestandteile des Atomkerns sind mit den stärksten, in der Natur bekannten Kräften aneinander gebunden. Diese Energien freizusetzen bedeutete einen einschneidenden Schritt in der Menschheitsgeschich- te. Als O tto H ahn und F ritz S trassmann 1938 in Berlin Uran mit Neutronen be- schossen und dabei Spuren von Barium, also einem völlig anderen Element erhiel- ten, interpretierte dies die nach Schweden emigrierte österreichische Physikerin L ise M eitner (1878–1968) als Kernspaltung . Sie berechnete, dass dabei ungeheure Energiemengen frei werden. Diese Erkenntnis führte im 2. Weltkrieg in den USA zur Entwicklung der Atombombe . Die beiden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki 1945 schockten die Menschheit. Im „Kalten Krieg“ der Nachkriegs- zeit (1945–1990) wurde die militärische und friedliche kernphysikalische For- schung massiv gefördert. Mit Hilfe der Kernphysik gelang es zu erklären, weshalb Sterne leuchten und wie es möglich ist, dass die Sonne seit Milliarden Jahren riesige Energiemengen frei- setzt. Es lag nahe, diese Form der Energiegewinnung auch für zivile Zwecke zu nutzen. Die technische Realisierung der Vorgänge in der Sonne, der Kernfusion, ist bis heute ein ungelöstes Problem. Die Energiegewinnung durch Kernspaltung da- gegen wird in vielen Ländern zur Stromerzeugung genutzt. Kernkraftwerke sind heute allerdings sehr umstritten. Der „Super-GAU“ von Tschernobyl (Ukraine) im Jahre 1986 war wegen der riesigen Mengen freigesetzten radioaktiven Materials (neben dem Chemieunfall in Bhopal) der größte Industrieunfall des 20. Jahrhun- derts. 2011 folgte der nicht weniger dramatische Kernkraftwerksunfall von Fukus- hima (Japan). Dennoch, die Diskussion um die globale Klimaänderung und der Druck, die Kohlendioxidemissionen zu vermindern, bewirken gegenwärtig in vie- len Ländern eine Renaissance der Kernenergie. In Österreich wurde der Betrieb von Kernkraftwerken 1978 aufgrund einer Volksabstimmung per Gesetz untersagt. Für Europa ist die Kernenergie nach wie vor eine bedeutende Energiequelle. 38.1 Die Kulturhauptstadt Linz 2009 präsentier- te u.a. das Projekt „SuperMagnetic“. Im Zuge dieses Projekts wurde eine Magnetresonanz­ tomographie (MRT) eines Sportlers künstle- risch bearbeitet. Wie entsteht ein derartiges Bild? MRTs finden in der Medizin Verwendung. ?  Wie entsteht eine MRT? Wodurch unterscheiden sich MRTs von Röntgenaufnahmen? 38.2 Die grenznahen Kraftwerksblöcke des Kernkraftwerks Temelin. Die Reaktoren befin- den sich in den Gebäuden neben den Kühltür- men. Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, die den Anteil der Kernenergie eher reduzieren, soll in Tschechien der Atomstrom­ anteil in Zukunft deutlich steigen. 38.3 Der Rauchpilz der Bombe von Nagasaki (9. August 1945). Mit den Bombenabwürfen auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki er- reichten die USA die Kapitulation von Japan und beendeten damit den 2. Weltkrieg.  38 Kernphysik Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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