Sexl Physik 8, Schulbuch

Ein bisschen Mathematik 16.1  Wenn die Geschwindigkeit v der Uhr C kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist, also v < c , dann ist ​ 9 ___ 1 − ​  v 2 _  c 2 ​​< 1 und ​  1 __  ​ 9 _ _ 1 − ​  v 2 _  c 2 ​.​ ​ Es ist daher t >  t' . Damit haben wir den gesuchten Zusammenhang zwischen der Zeitangabe t' der bewegten Uhr und der Zeitangabe t der ruhenden Uhren gefunden. Es ist dabei tatsächlich notwendig, von mindestens zwei ruhenden Uhren auszu- gehen. Zunächst fliegt nämlich die Uhr C an der ruhenden Uhr A vorbei, wobei beide auf Null gestellt werden sollen, t' =  t = 0 . Da sich C weiterbewegt, kann diese Uhr später nicht wieder mit A verglichen werden, sondern nur mit der zweiten ru- henden Uhr B. Dabei muss B mit A synchronisiert sein, um den Zeitvergleich zwi- schen der Angabe t' von C und der Anzeige t von B sinnvoll zu machen (  16.1 ).  Zeitdilatation Bewegt sich eine Uhr an einem Satz synchronisierter Uhren vorbei, der in einem Inertialsystem ruht, so erscheint sie im Vergleich zu diesen Uhren langsamer. Dies meinen wir, wenn wir kurz sagen: „Eine bewegte Uhr geht langsamer.“ Zeigt die bewegte Uhr die Zeit t' und der Uhrensatz die Zeit t an, so gilt der Zusammenhang t = ​  t ' __  ​ 9 _ _ 1 − ​  v 2 _  c 2 ​​ ​ wobei v die Relativgeschwindigkeit zwischen der bewegten Uhr und dem Uhrensatz ist. Die bisherigen Überlegungen beziehen sich nur auf Lichtuhren. Es stellt sich die Frage, wie sich bewegte mechanische und elektrische Uhren verhalten. Unterlie- gen auch sie der Zeitdilatation? Gehen alle Uhren, also auch Atomuhren, nach der gleichen Gesetzmäßigkeit langsamer, wenn man sie bewegt? Im Sinne der Relati- vitätstheorie müssen wir diese Frage mit ja beantworten. Zeigt nämlich irgendeine andere Uhr ein anderes Verhalten als die Lichtuhr, so könnten wir den Gang der beiden Uhren in verschiedenen Inertialsystemen ver- gleichen und würden Abweichungen feststellen. Dabei gäbe es ein System, in dem die beiden Uhren die geringste Gangabweichung aufweisen. Diese Auszeichnung eines Inertialsystems stünde im Widerspruch zum Relativitätsprinzip, das da- durch, ebenso wie alle weiteren Überlegungen, ungültig würde. Man könnte einwenden, dass die oben hergeleitete Zeitdilatation im Widerspruch zum Relativitätsprinzip steht. Folgendes Argument scheint dies zu zeigen. Die Her- leitung ergab, dass die bewegte Uhr C langsamer als die ruhenden Uhren A und B geht. Das Relativitätsprinzip besagt aber, dass die Bezeichnungen „bewegt“ und „ruhend“ nicht absolut, sondern relativ sind. Wir können daher ebenso C als ru- hend betrachten und A bzw. B als bewegt ansehen. Sollten nicht analoge Überle- gungen nunmehr zum Ergebnis führen, dass die bewegte Uhr A (oder B) langsamer als C geht? Da offensichtlich C nicht sowohl langsamer als auch schneller als A und B laufen kann, behaupten manche Kritiker, damit sei „der ganze anmaßende Schwindel der Relativitätstheorie widerlegt“. Dieser scheinbare Widerspruch lässt sich jedoch durch sorgfältige Analyse der Uhrenablesungen auflösen. Man braucht lediglich zu berücksichtigen, dass die Verlangsamung der bewegten Uhr C nur dadurch festgestellt werden kann, dass C an zwei ruhenden Uhren vorbei fliegt. Sehen wir dagegen C als ruhend an, so flie- gen nacheinander die beiden Uhren A und B mit der Geschwindigkeit –v vorbei. Der Beobachter bei C kann dabei zwar den momentanen Stand jeder der beiden Uhren ablesen, jedoch keine Aussage über den Gang von A und B machen. 0,00 0,00 0,00 A A A ns ns ns v 2 2 1,0 B C 16.1 Wir dürfen die Zeitangaben der ruhen- den und der bewegten Uhr nur genau im Moment des Vorbeifluges vergleichen. Andern- falls wäre auch die Laufzeit des Lichtes von einer Uhr zur anderen zu berücksichtigen. Erde 16.2 Das Zwillingsparadoxon Einer von zwei Zwillingen geht auf eine Weltraumreise, die ihn mit halber Lichtge- schwindigkeit zum nächsten Stern und wieder zurück führt. Wegen der Zeitdilatation altert er langsamer als sein auf der Erde zurückgeblie- bene Bruder. Können Zwillinge tatsächlich verschieden alt sein? Und gilt hier das Relativitätsprinzip (s. S. 9) nicht? Dürfen wir auch den Raumfahrer als ruhend und seinen auf der Erde verbliebenen Zwil- lingsbruder als bewegt betrachten? Dies ist nicht zulässig, da sich die beiden Grundprinzi- pien der Relativitätstheorie nur auf Inertial­ systeme beziehen. Nur die Erde ruht in hinrei- chender Näherung in einem Inertialsystem. Die Rakete könnte sich bei konstanter Flug­ geschwindigkeit auf ihrem Hin- und auf ihrem Rückflug in je einem Inertialsystem befinden, sie wird jedoch beim Abflug, bei ihrer Umkehr und bei der Ankunft beschleunigt. Es gibt daher kein Inertialsystem, in dem die Rakete während des gesamten Fluges ruht. Deshalb ist es nicht zulässig, sie als ruhend zu betrach- ten.  16 Relativitätstheorie Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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