Sexl Physik 7, Schulbuch

Über einzelne Quantenobjekte sind keine detaillierten Vorhersagen möglich. Die Heisenberg’sche Unschärferelation schränkt die Berechenbarkeit des Ablaufes von Naturvorgängen ein. Für makroskopische Objekte werden wegen der Kleinheit von h die quantenphysi- kalischen Orts- und Impulsunschärfen unmessbar klein. Daher kann man von Bahnen dieser Objekt sprechen. Das folgende Beispiel zeigt dies. Untersuche, überlege, forsche: Ortsunschärfe eines Objekts 95.1 W 1 Die Geschwindigkeit einer Kugel von 1 g Masse wird mit 1% Genauigkeit zu 1m/s bestimmt. Zeige, dass die quantenphysikalische Ortsunschärfe Δ x ≈ 5 · 10 −31 m beträgt, und vergleiche sie mit dem Durchmesser von Atomen (ca. 10 −10 m). Die Bahn eines Elektrons oder Protons in einer Nebelkammer wird durch Tröpf- chen sichtbar, deren Durchmesser (einige 10µm ) wesentlich größer als die de Broglie- Wellenlänge ( nm und kürzer) sind. Der experimentelle Fehler der Ortsbe- stimmung ist daher viel größer als die quantenphysikalische Ortsunschärfe. Außer der Heisenberg’schen Unschärferelation für Ort und Impuls gelten weitere ähnliche Beziehungen. Eine wichtige Unschärferelation besteht zwischen der Dau- er Δ t eines Vorganges und der Genauigkeit Δ E , mit der die Energie der beteiligten Teilchen während dieser Zeit festgelegt ist: Energie-Zeit-Unschärferelation: Δ E · Δ t ≈ h . Der Teilcheneigenschaft Energie entspricht die Welleneigenschaft Frequenz . Die Genauigkeit einer Energiemessung entspricht also der Genauigkeit einer Fre- quenzmessung. Einer Energieunschärfe Δ E = 0 entspricht eine unendlich lang dau- ernde harmonische Welle mit einer genauen Frequenz. Wenn sich ein Quantenob- jekt in einem Zustand mit unscharfer Energie ( Δ E > 0 ) befindet, bedeutet dies, dass seine Wellenfunktion eine Überlagerung verschiedener Frequenzen darstellt. Wie wir in der Akustik (Physik 6, S. 34) gesehen haben, treten dabei Schwebungen auf, die in umso kürzeren Zeiten erfolgen, je größer die Frequenzunterschiede sind. Mit einem Analogieexperiment aus der Akustik lässt sich die Beziehung Δ E · Δ t ≈ h veranschaulichen. Experiment: Wann hört man einen reinen Ton? 99.1 E 1 Mittels Akustiksoftware (z. B. dem Open Source Programm AUDACITY) lässt sich am Computer ein Sinuston mit wählbarer Dauer erzeugen. Untersuche und protokolliere, wie lange Sinustöne niedriger bzw. hoher Frequenz dauern müssen, damit man die Tonhöhe erkennen kann. Die Unschärferelation ist eine Konsequenz der Tatsache, dass das Verhalten von Quantenobjekten durch ihre Wellenfunktion bestimmt wird. Die Wellenfunktion enthält die Information über die möglichen Ergebnisse von wiederholten gleichen Experimenten. Gewisse Eigenschaften von Quantenobjekten, wie z. B. Ort und Impuls, sind in der Regel nicht „scharf“ bestimmt. Die wiederholte Messung einer dieser unscharfen Eigenschaften im Rahmen einer Folge von Experimenten liefert eine statistische Verteilung der einzelnen Messwerte (Mittelwert, Streuung) entsprechend der Wel- lenfunktion Ψ ( 99.2 ). Andere Eigenschaften, z. B. Masse und elektrische Ladung, nehmen in jeder Messung stets denselben scharfen Wert an. 2.5 Beispiele zur Unschärferelation Die Vorstellungen von de Broglie wurden durch den Österreicher Erwin Schrödin- ger ( 99.3 ) zur Wellenmechanik ausgebaut, mit deren Hilfe sich die Energien von Quantenobjekten in Kraftfeldern, z. B. die Energieniveaus von Elektronen im elekt- rischen Feld des Atomkerns, berechnen lassen. Wir beschränken uns auf einige qualitative Überlegungen. 99.1 W ERNER H EISENBERG (1901–1976) leistete sei- ne wichtigsten Beiträge zur Physik, als er kaum 25 Jahre alt war. Er entwickelte 1926 eine eige- ne Formulierung der Quantenmechanik und stellte 1927 die Unschärferelation auf. Im Alter von 31 Jahren erhielt er den Nobelpreis. Streuung  x Mittelwert x x Häufigkeit 99.2 Bei Zufallsprozessen streuen die ein- zelnen Messwerte einer physikalischen Größe x um den Mittelwert und zeigen eine Unschär- fe (Streuung) Δ x. 99.3 E RWIN S CHRÖDINGER (1887–1961) studierte und arbeitete bis 1920 an der Universität Wien, danach an der Universität Zürich, wo er 1926 grundlegende Arbeiten zur Quantenphysik (Wellenmechanik) verfasste. In diesen Arbei- ten formulierte er die Schrödingergleichung und führte die Wellenfunktion ein, die den Zustand von Elektronen und anderen Quanten- objekten räumlich und zeitlich beschreibt. Dafür erhielt er 1933 den Nobelpreis. Als Nach- folger von Max Planck kam er 1927 nach Berlin. Von 1936 bis 1938 war er in Graz tätig, von wo er 1938 vor dem NS-Regime nach Irland floh. 1956 kehrte er nach Wien zurück. 99 | QUANTENPHYSIK Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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