Sexl Physik 7, Schulbuch

Wählt man den Blendendurchmesser d in der Braun’schen Röhre von der Größe der de Broglie-Wellenlänge, kann man wegen der Beugung nicht vorhersagen, wo ein- zelne Elektronen am Bildschirm auftreffen werden ( 98.2 , 98.3 ). Je genauer man festlegen will, von wo die Elektronen ausgehen, desto breiter wird das Beu- gungsbild. Die Elektronen haben nun Geschwindigkeitskomponenten quer zur Strahlrichtung. Einen Elektronenstrahl mit einem genau bestimmten Impuls und einer scharf definierten Richtung erhält man nur, wenn man ihn breit macht, also auf eine gute Kenntnis des Ortes der Elektronen verzichtet. Es ist unmöglich, einen Elektronenstrahl so zu erzeugen, dass gleichzeitig ein genau bestimmter Ort und eine genau bestimmte Geschwindigkeit der Elektronen gemessen werden können. Dies führt uns auf die Heisenberg’sche Unschärferelation , deren quantitative Formulierung ein Gedankenexperiment plausibel machen soll. Dazu wird die Beu- gung eines Elektronenstrahls an einem Einzelspalt der Breite d betrachtet ( 98.4 ). Der Winkel α , bei dem das erste Beugungsminimum auftritt, ist durch sin α = λ / d gegeben. Nahezu alle Teilchen werden sich in diesen Winkelbereich ausbreiten und auf dem Schirm ein Beugungsbild erzeugen. Die Ψ -Funktion bestimmt, wo die Elektronen zufällig auftreffen. Dementsprechend gehorchen auch die Impulse p x der Elektronen quer zur ursprünglichen Strahlrichtung einer Zufallsverteilung, sie streuen mit der Größenordnung Δ p x um den Mittelwert Null. Δ p x ergibt sich grö- ßenordnungsmäßig zu Δ p x ≈ p · sin α = p · λ / d = ( h / λ ) · ( λ / d ) = h / d . Wenn es gelingt, den Ort der Elektronen mit einer Ortsunschärfe Δ x = d festzule- gen, entsteht eine Impulsunschärfe Δ p x der Größenordnung h / Δ x . Heisenberg’sche Unschärferelation Ort und Impuls von Teilchen können nicht gleichzeitig mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden. Für das Produkt aus Ortsunschärfe Δ x und Impulsunschärfe Δ p x gilt Δ x · Δ p x ≈ h . Diese Relation wurde für die Ortsfestlegung quer zur Ausbreitungsrichtung abge- leitet. Sie gilt jedoch allgemein für jede Richtung: Ist der Ort eines Quantenobjekts mit der Unschärfe Δ x , Δ y , Δ z bekannt, werden die Unschärfen der Komponenten des Impulsvektors durch die Heisenberg’sche Unschärferelation bestimmt: Δ x · Δ p x ≈ h , Δ y · Δ p y ≈ h , Δ z · Δ p z ≈ h , aber keine Beschränkung für Δ x · Δ p y , … Damit wurde eine prinzipielle und nicht unterschreitbare Schranke für die Genau- igkeit gefunden, mit der Ort und Geschwindigkeit eines Quantenobjekts gleichzei- tig bestimmt werden können. Sie kann nicht durch genauere Messungen unter- schritten werden. Diese Einschränkung revolutioniert die Grundlagen der Physik. Der französische Mathematiker P IERRE S IMON DE L APLACE (1 749–1827) träumte einst von der Berechenbarkeit der Natur: „… ein Geist, der alle Kräfte der Natur kennen würde und für einen Augenblick die Lage und die Geschwindigkeit aller Teilchen, aus denen die Natur besteht, erfassen könnte und genügend groß wäre, alle diese Daten einer Rechnung zu Grunde zu legen, könnte die Bewegung aller Körper des Weltalls vorhersagen. Für ihn würde nichts unbestimmt sein …“. Dieser Traum der klassischen Mechanik ist ausgeträumt, da wir wegen der Un- schärferelation prinzipiell niemals den Ort und die Geschwindigkeit einzelner Teilchen exakt erfassen können. Deshalb ist auch das weitere Geschehen nicht mit Bestimmtheit vorhersagbar . Wir können nur Aussagen über das statistische Ver- halten sehr vieler Quantenobjekte machen, also z. B. darüber, welches Beugungs- muster sie erzeugen werden. Elektronenquelle y-Ablenkung Elektronenstrahl Lichtpunkt Wehneltzylinder Anode x-Ablenkung 98.1 Aus der Elektronenquelle der Braun’- schen Röhre (TV-Röhre) treten Elektronen aus. Sie werden durch Hochspannung zur Anode beschleunigt. Ein Elektronenstrahl passiert das Loch in der Anode und erzeugt einen Licht- punkt auf dem Bildschirm. Wie hängt seine Größe vom Blendendurchmesser (Loch in der Anode) ab? 98.2 Sinkt der Durchmesser der Blenden- öffnung auf die Größenordnung einer Wellen- länge (rechtes Bild), so fächert die Beugung den Strahl auf, wie ein Versuch mit Wasser- wellen anschaulich zeigt. 98.3 Zentrale Beugungsscheibe mit Neben- maxima einer kreisförmigen Lochblende. Detektor p 98.4 Ein Elektronenstrahl wird an einem Spalt gebeugt. Hinter dem Spalt laufen die Teilchen auseinander: Die Richtungen ihrer Impulse sind nicht exakt vorhersagbar. Sie weisen eine Impulsunschärfe Δ p x auf. Der Radius des ersten Beugungsscheibchens dient zur Abschätzung der Impulsunschärfe. 98 QUANTENPHYSIK Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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