Sexl Physik 7, Schulbuch

Die historische Auseinandersetzung zwischen zwei Physikern: Newton und Huygens Die Newton’sche Teilchentheorie des Lichts Das Reflexions- und das Brechungsgesetz beschreiben zwar die Richtung des re- flektierten und des gebrochenen Strahls, sie geben aber keine Auskunft darüber, warum das Licht an der Körperoberfläche gerade so reflektiert und gebrochen wird. Um die Wechselwirkung zwischen Materie und Licht besser zu verstehen, müssen wir wissen, was Licht ist. I SAAC N EWTON entwickelte im Zuge seiner Untersuchungen zu optischen Phänome- nen um 1672 eine Theorie über die Natur des Lichts. Danach sendet eine Lichtquel- le eine große Menge winziger Lichtteilchen aus, die mit konstanter Geschwindig- keit geradlinig durch den Raum fliegen und beim Auftreffen auf die Netzhaut des Auges eine Helligkeitsempfindung hervorrufen. Fällt ein Strahl dieser Lichtteil- chen auf die glatte Oberfläche eines durchsichtigen Körpers, so werden diese teils reflektiert, teils dringen sie in den Körper ein und bewegen sich im Inneren des Körpers weiter. Newton nahm nun an, dass die reflektierten Teilchen an der Oberfläche einen elas- tischen Stoß erleiden. Es lässt sich dann die Bahn eines schräg auftreffenden Teil- chens leicht angeben. Wir denken uns den Geschwindigkeitsvektor des einfallen- den Teilchens in zwei Komponenten parallel und senkrecht zur Körperoberfläche zerlegt. Da die Masse des Lichtteilchens sehr viel kleiner ist als die Masse der Ato- me, wird die senkrechte Geschwindigkeitskomponente wie bei einem zu Boden fal- lenden Gummiball umgekehrt. Die parallele Geschwindigkeitskomponente wird durch den elastischen Stoß nicht beeinflusst. Setzt man nach dem Stoß die beiden Geschwindigkeitskomponenten wieder zusammen, so erhält man den Geschwin- digkeitsvektor des wegfliegenden Teilchens. Das Lichtteilchen bewegt sich gerade so, wie es das Reflexionsgesetz vorschreibt ( 87.3 ). Aber auch andere Erscheinungen werden durch das Newton’sche Lichtmodell rich- tig beschrieben. So ist die geradlinige Ausbreitung des Lichts im Vakuum eine Selbstverständlichkeit. Auch die Abnahme der Beleuchtungsstärke bei einer „punktförmigen“ Lichtquelle (Kerze) mit dem Quadrat der Entfernung lässt sich leicht erklären. Da die Lichtteilchen nämlich nach allen Richtungen davonfliegen, durchsetzen sie im doppelten Abstand von der Quelle bereits die vierfache Fläche. Versteht man unter der Beleuchtungsstärke ein Maß für die Zahl der Teilchen, die pro Sekunde auf einen Quadratmeter einer Fläche auffallen, die senkrecht zur Strahlenrichtung steht, so muss die Beleuchtungsstärke bei Verdoppelung des Ab- standes auf ein Viertel abnehmen ( 87.2 ). Einige Widersprüche kann die Newton’sche Teilchentheorie des Lichts aber nicht klären: a) Auf jene Lichtteilchen, die in den Körper eindringen, wirken nach Newton an- ziehende Kräfte. Diese gehen von den Atomen des Körpers aus und besitzen eine kurze Reichweite. Tritt ein Lichtteilchen in den Körper über, so wird es an der Kör- peroberfläche von diesen Kräften erfasst und in den Körper hineingezogen. Da- durch nimmt die senkrechte Geschwindigkeitskomponente zu, während die paral- lele Geschwindigkeitskomponente unverändert bleibt. Befindet sich das Teilchen im Körper, so wirken die anziehenden Kräfte von allen Seiten ein und heben ein- ander gegenseitig auf. Das Lichtteilchen bewegt sich daher im Körper unbeschleu- nigt weiter, und zwar mit einer größeren Geschwindigkeit als im Vakuum. Erst etwa 150 Jahre nach Newton gelang Leon Foucault die Messung der Lichtge- schwindigkeit in Wasser. Sie erwies sich in Materie kleiner als in Luft im Wider- spruch zu Newtons Annahme (s. S. 55). b) Selbst starke Lichtstrahlen können einander ungestört durchdringen. Dies ist im Rahmen eines mechanischen Teilchenmodells nicht erklärbar. Die Lichtteilchen würden mit einander kollidieren und unterschiedlich stark abgelenkt. c) Licht wird an der Körperoberfläche zum Teil reflektiert und zum Teil dringt es in den Körper ein. Die Lichtteilchen müssten also teilweise angezogen und teilwei- se abgestoßen werden. Eine Erklärung dafür fehlte. 87.1 Das Bild zeigt Newton als jungen Mann. Newtons Werk gilt auch heute noch als eine der wichtigsten Grundlagen der Physik. Zwischen seinem 22. und 25. Lebensjahr ent- wickelte er die Gravitationstheorie, die grund- legenden Werke zur Mechanik, die Optik und die Infinitesimalrechnung. Lichtquelle Q 1 m 2 m 3 m r 87.2 Mit Newtons Lichtmodell lässt sich leicht verstehen, weshalb bei einer punkt- förmigen Lichtquelle die Beleuchtungsstärke mit der Entfernung abnimmt. Lot v ’ v v II v II ’ ’ Luft Glas v v ’     87.3 Zur Herleitung des Reflexionsgesetzes nach Newtons Lichtmodell 87 | THEORIEENTWICKLUNG Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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