Sexl Physik 7, Schulbuch

Miniaturisierung elektronischer Schaltkreise – Hörhilfen werden stetig verbessert Ein Beispiel, wie die physikalische Forschung zunächst auf grundlegende Erkenntnisse und dann sehr schnell zu prak- tischen Anwendungen führt, ist die Halbleiterphysik (s. S. 29). Die Ergebnisse der Grundlagenforschung in der ersten Hälfte des 20. Jh. führten ab 1960 zur Entwicklung der Halbleiterindustrie. Den Ersatz von menschlicher Ar- beitskraft durch die Dampfmaschine bezeichnet man als industrielle Revolution , den Wandel der Technik (Steue- rungstechnik und Kommunikationswesen) und unseres Nutzungsverhaltens als digitale Revolution . Die Miniaturisierung der elektronischen Bauteile durch Transistoren und integrierte Schaltkreise hat neben vielen anderen Anwendungen den PC, den Personal Computer in seinen vielfältigen Formen, und die Mobiltelefonie ermög- licht. Am medizinischen Beispiel der Hörprothese für das Innenohr, einer österreichischen Entwicklung, wird das Zu- sammenspiel von Grundlagenforschung und Anwendung deutlich. Bei taub geborenen Kindern mit intaktem Hörnerv und auch bei später Ertaubten fehlen z. B. die Haarzellen, welche die Druckwelle des Schalls in der Gehörschnecke in Nerven- impulse umwandeln. Um diesen Personen wieder ein Hören zu ermöglichen, wird der intakte Hörnerv direkt durch eine Elektrode mit insgesamt 12 in der Gehörschnecke verteilten Kontakten elektrisch stimuliert ( 6.1–6.3) . In einem Signalprozessor wird der Schall nach Frequenz und Lautstärke analysiert. Zur Signalanalyse werden mo- derne mathematische Verfahren verwendet. Die Informa- tion wird an den Stimulator übertragen, der elektrische Pulse über feine elektrische Leitungen an die Nervenfasern des Hörnervs im Innenohr überträgt. Die elektrischen Impulse der Nervenfasern erreichen schließlich das Hör- zentrum im Gehirn. Da Nervenfasern auch Erholungspau- sen brauchen, feuern sie maximal etwa dreihundert Mal pro Sekunde ( 300 Hertz ). Höhere Frequenzen ergeben sich aus dem zeitlich versetzten Feuern verschiedener Fasern. Die Miniaturisierung der Elektronik ermöglicht eine kom- pakte Bauweise des Stimulators, so dass er unter die Kopf- haut implantiert werden kann. Energieversorgung und Sig- nalübertragung erfolgen vom Signalprozessor (mit Mikrofon und kleiner Batterie), der hinter dem Ohr getragen wird, über hochfrequente elektromagnetische Schwingungen nach dem Induktionsprinzip. Die Datenrate erreicht 600 kbit/s und ermöglicht Hören in einem Frequenzbereich von 70Hz bis über 8 000Hz – sie bringt damit auch wieder Musikgenuss. Da die gesamte Information über nur 12 Kon- takte übertragen wird (zum Vergleich: Im gesunden Ohr gibt es etwa 20 000 Nervenfasern), ist dieser Musikgenuss etwas eingeschränkt, während die Sprache robuster ist und weni- ger strenge Anforderungen an die Signalverarbeitung stellt. Interessant ist auch die Geschichte der Entwicklung: Von der Idee im Jahr 1975 zur ersten implantierten Elektrode vergingen nur zwei Jahre, aber erst die Miniaturisierung der Elektronik erlaubte ab 1989 den Bau der kompakten im- plantierbaren Empfänger. Untersuche, überlege, forsche: Hörhilfen 6.1 S 2 Überlege, warum es besonders für taub geborene Kleinkinder wichtig ist, eine Hörprothese zu erhalten. 6.1 Beim Cochlea-Implantat wird der Hörnerv (7) nicht durch die Haar- zellen, sondern durch elektrische Wechselspannungen an Kontaktstellen der Gehörschnecke (lat. Cochlea) (6) stimuliert. Dafür wird eine Elektrode (5) in die Gehörschnecke verlegt. Der Signalprozessor (1) mit Mikrofon und Batterie sowie die Leitung (2) zur externen Spule (3) werden außen am Ohr getragen. Der Empfänger (4) mit Elektrode (5) liegt unter der Kopf- haut. Die externe Spule bildet zusammen mit der unmittelbar darunter liegenden implantierten Spule einen Transformator. 6.2 Implantierbarer Stimulator mit Empfangsspule. Die externe Spule wird magnetisch gehalten. Der dazu notwendige interne Magnet (rund, blau) ist innerhalb der Empfangsspule zu sehen. Das Gerät wird unter die Kopfhaut implantiert und die Elektrode in die Gehörschnecke eingeführt. Der Stromfluss wird über eine großflächige Elektrode auf dem Metall- gehäuse geschlossen. 6.3 Die in die Gehörschnecke eingesetzte Elektrode (lila) stimuliert mit ihren Kontakten mittels Wechselspannung einzelne Fasern des Hörnervs (gelb). 6 Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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