Sexl Physik 7, Schulbuch

Biologische Wirkung elektromagnetischer Felder Die biologische Wirkung elektromagnetischer Felder hängt von der Frequenz ab. So ist z. B. elektromagnetische Strahlung in Form von sichtbarem Licht für das Le- ben auf der Erde notwendig (Photosynthese). Kontrovers wird der Bereich „Elekt- rosmog“ diskutiert. Prinzipiell wird bei Untersuchungen um mögliche biologische Einflüsse zwischen der Wirkung elektrischer, magnetischer sowie elektromagnetischer Felder unter- schieden. Da statische elektrische und magnetische Felder für die Normalbevölke- rung weitgehend keine Rolle spielen, weil ihre Feldstärken sehr gering sind, soll in diesem Abschnitt die Wirkung von elektromagnetischen Feldern im Nieder- und Hochfrequenzbereich genauer betrachtet werden. Niederfrequente elektromagnetische Felder Als niederfrequent werden vor allem Felder bezeichnet, die im Frequenzbereich zwischen 50Hz (technischer Wechselstrom) und 10 kHz liegen. Hier müssen die elektrische und die magnetische Komponente getrennt betrachtet werden. Gemes- sen werden dabei die elektrische und die magnetische Feldstärke. Elektrische Felder dringen nur wenig in den Körper ein, eine Abschirmung ist grundsätzlich nicht schwierig, da diese bereits durch Hauswände oder gar Büsche gewährleistet ist. Anders verhalten sich die magnetischen Anteile: Sie durchdrin- gen den Körper ungehindert. Aus diesem Grund konzentriert sich die Suche nach den biologischen Wirkungen vorwiegend auf zeitlich veränderliche Magnetfelder, da sie im menschlichen Körper durch Induktion Ströme hervorrufen, welche die Steuerung des Herzens beeinflussen können (Herzkammerflimmern). Die durch den menschlichen Herzschlag hervorgerufenen Stromstärken liegen bei 0,1A . Hochfrequente elektromagnetische Felder Mobilfunknetze benutzen Frequenzen im Bereich von 0,5 bis 2,7GHz . Der Ausbau der notwendigen Funknetze mit der flächendeckenden Errichtung von Sendetür- men entfachte eine heftige Diskussion darüber, inwieweit die beim mobilen Telefo- nieren auftretenden elektromagnetischen Felder die Gesundheit beeinträchtigen. Mobiltelefone stehen im Verdacht, die Funktion von Herzschrittmachern zu stören oder Krebs, Alzheimer, Asthma und andere Krankheiten zumindest zu begünsti- gen. Es gibt viele Studien darüber, ob elektromagnetische Wellen schädlich sind, nur wenige davon genügen den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Krite- rien (statistische Signifikanz, Replizierbarkeit der Untersuchungsergebnisse, …). In Österreich beschäftigt sich der Wissenschaftliche Beirat Funk (WBF) damit, aus wissenschaftlicher Sicht Antworten auf die Frage zu geben, ob Mobilfunk gesund- heitsbeeinträchtigende Auswirkungen auf den Menschen hat. Die Themenfelder, welche dabei auf Basis wissenschaftlicher Kriterien für Studien im Rahmen der Thematik „Mobilfunk und Gesundheit“ festgelegt wurden, sind: Mobilfunk und Nervensystem, Mobilfunk und Tumorentwicklung, Mobilfunk und Befindlichkeit des Menschen. Unterschiedliche biologische Wirkung Direkte thermische Wirkung Hochfrequente elektromagnetische Strahlung (wie z. B. bei Handys) erwärmt den Körper. Wichtig ist dabei die Strahlungsenergie, welche beim Eindringen in den Körper in Wärmebewegung der Wassermoleküle (Dipole) umgewandelt wird. Da Muskeln mehr Wasser enthalten als z. B. die Haut, werden diese mehr erwärmt. Die Belastung im menschlichen Körper ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Durch Reflexion und Interferenz kann es im Körper lokal zu besonders starker Er- wärmung kommen (Hot Spots). Bereiche, wo Wellen an Organgrenzflächen (z. B. an Fett-Fleisch-Grenzschichten) reflektiert werden, reagieren besonders empfindlich auf Temperaturerhöhung (z. B. Hodengewebe, Augenlinse, …). Als Maß für die absorbierte Energie dient die spezifische Absorptionsrate (SAR) in Watt pro Kilogramm des betroffenen Körpergewebes. Mobiltelefone dürfen für den Kopf einen SAR-Wert von 2W/kg nicht überschreiten. Dieser Grenzwert liegt nach Ansicht der Internationalen Strahlenschutzkommission weit unter einer möglichen Gefährdung. „Elektrosmog“ ist ein Kunstwort, wobei sich das Wort „smog“ aus smoke (Rauch) und fog (Nebel) zusammensetzt. Der Begriff bedeutet also „elektrischer Rauchnebel“ und soll somit an die bereits bekannten Gefahren von In- dustrie- und Verkehrssmog erinnern. Lest den unten stehenden Zeitungsartikel durch und diskutiert darüber in eurer Klasse. Klärt zuerst die darin vorkommenden physikalischen Be- griffe und Einheiten. Welche Schlüsse könnt ihr für euch daraus ziehen? Ist diese Diskussion heute noch aktuell? Das Thema „Elektrosmog“ schlägt Wellen (Die Zeit Nr. 34, 14.8.2003, Seite 23) Die Elektrosmog-Debatte ist ein Dauer- brenner in den Medien. Leider wird das Thema oft unseriös behandelt; eine be- trächtliche Verunsicherung der Öffentlich- keit ist die Folge. Derzeit macht ein weite- res Forschungsprojekt (Reflex-Studie) von sich reden. In der Projektstudie heißt es: Elektromagnetische Felder können das Erbgut menschlicher Zellen schädigen. „Ge- fahr!“, muss der normale Zuschauer den- ken. Allerdings ist dieses Forschungsgebiet nicht mehr ganz frisch. Starke elektroma- gnetische Felder, das ist längst bekannt, bewirken durchaus physikalische Effekte in biologischen Organismen. Mit solch star- ken Feldern werden wir im Alltag aber nicht behelligt. Für die Hersteller elektri- scher Anlagen und Geräte sind Grenzwerte weit unterhalb dieser Größenordnung schon lange verbindlich. Seit etwa drei Jahrzehnten sind Wissenschaftler nun be- müht, irgendeine gesundheitlich bedeutsa- me Wirkung aufzuspüren, die von jenen schwachen Feldern verursacht wird, die uns im Alltag umgeben. Bis jetzt wurde kein einziger allgemein anerkannter und reproduzierbarer Effekt gefunden. Einige Menschen scheinen schwache Felder zu spüren, doch ob das gesundheitliche Rele- vanz besitzt, ist äußerst fraglich. In der Studie heißt es nun: Sowohl hochfrequente Felder (Mobilfunk) als auch extrem nieder- frequente Felder (Stromversorgung) schä- digen das Erbgut menschlicher Zellen. Und Letztere tun das angeblich schon bei einer magnetischen Flussdichte von 35 Mikro- tesla. Seltsam: Schon das natürliche Magnetfeld der Erde, in dem wir ständig leben, weist höhere Flussdichten auf – nämlich bis zu 60 Mikro tesla. Welcher mysteriöse Mechanismus soll dafür verant- wortlich sein, dass bereits solch schwache Felder „signifikante Schäden“ bewirken? Müssten wir nicht längst krank sein, unse- rer bloßen Existenz auf der Erdoberfläche wegen? Die Antwort bleiben die Autoren – wie leider meistens bei solchen Studien – schuldig. 47 | ELEKTROMAGNETISCHE WELLEN Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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