Sexl Physik 7, Schulbuch

Analogie mit Schwingungen einer Membran Besser als mit eindimensionalen Saiten lassen sich einige Eigenschaften der ste- henden Wahrscheinlichkeitswelle im Atom an einer zweidimensionalen Membran zeigen, die mittels Lautsprecher in Schwingungen versetzt wird ( 109.1 ). Die Membran schwingt immer dann besonders kräftig, wenn eine ihrer Eigenschwin- gungen angeregt wird. Die Grundschwingung (kleinste Frequenz) der Membran entspricht dem Grund- zustand (Zustand niedrigster Energie) des Atoms. Sie hat am Rand eine Knotenline und hat in der Mitte die größte Amplitude. Analog erwarten wir für den Grundzu- stand des Atoms eine kugelförmige Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons, die im Zentrum maximal ist und nach außen rasch abnimmt. ( 109.1 ) Eine „Bahn“ des Elektrons (engl. orbit ) gibt es nicht, nur eine „ Wolke der Aufenthalts- wahrscheinlichkeit “. Die stehenden Wellen des Elektrons werden Orbitale ge- nannt. Das Orbital des Grundzustands des Wasserstoffs wird als 1 s-Orbital be- zeichnet. Dabei steht „1“ für den ersten Zustand, den Grundzustand des H-Atoms, der Zusatz „s“ charakterisiert den Zustand als kugelförmig. Steigern wir die Fre- quenz des Lautsprechers, so treten Oberschwingungen der Membran auf. In der ersten Oberschwingung schwingt die Mitte im Gegentakt zur äußeren Membran, dazwischen liegt eine kreisförmige Knotenlinie ( 109.2 ). In Analogie dazu hat das 2 s-Orbital des angeregten Atoms eine Schalenstruktur: In einer großen Kugel ist eine kleinere Kugel enthalten. Eine kugelförmige Knotenfläche trennt die zwei Teile. Den erhöhten Schwingungsfrequenzen der Membran entsprechen erhöhte Energie- werte des Elektrons im Atom. Antisymmetrische Schwingungen der Membran lassen sich anregen, indem man den Lautsprecher aus der Mitte gegen den Rand verschiebt ( 109.3 ). Eine Knoten- linie teilt die Membran in zwei Teile, die gegengleich schwingen. Das entsprechen- de Orbital des angeregten Atoms hat eine ebene Knotenfläche und ist hantelförmig. Entsprechend den drei Achsen des Raumes gibt es drei solche Orbitale, die als 2p x - , 2p y - , 2p z -Orbital bezeichnet werden. (Die „2“ bezeichnet die zweite Energiestufe, der Index x, y, z zeigt die Orientierung bezüglich eines Koordinatensystems an.) Das Konstruktionsprinzip für höhere Energiezustände lässt sich verallgemeinern: Im dritten Energiezustand gibt es ein 3 s-Orbital, drei 3p-Orbitale und fünf 3d-Or- bitale, im n -ten Energiezustand insgesamt n 2 Orbitale. Quantenzahlen Jedes Orbital entspricht einer stehenden Wahrscheinlichkeitswelle Ψ . Die Haupt- quantenzahl n ( n = 1, 2, 3, … ) nummeriert die Energieniveaus und die zugehörigen Orbitale. Mit wachsendem n nimmt der mittlere Abstand des Elektrons vom Kern zu ( 109.4 ). Neben den kugelförmigen Orbitalen, die als s-Orbitale bezeichnet werden, treten ab n = 2 gestreckte Orbitale auf, bei denen die Aufenthaltswahrscheinlichkeit wie im 2p-Orbital richtungsabhängig ist. Sie werden mit der Nebenquantenzahl l ge- kennzeichnet. l kann die Werte von 0 bis n −1 annehmen. Aus historischen Gründen werden sie häufig mit Buchstaben bezeichnet: Den Werten l = 0, 1, 2, … entsprechen die Bezeichnungen s, p, d, … Und schließlich können sich diese Orbitale räumlich in 2 l +1 Richtungen einstellen. Die stehenden Elektronenwellen im Atom heißen Orbitale . Im Grundzustand ist das Elektron am stärksten an den Kern gebunden. Oft werden die Orbitale in Wolkenform als jene Bereiche dargestellt, in denen sich das Elektron mit mehr als 90% iger Wahrscheinlichkeit aufhält. Im Grundzustand des H-Atoms befindet sich das Elektron im kugelförmigen 1 s-Orbital. Diese qualitative Darstellung wird im Rahmen der Quantenmechanik quantitativ bestätigt: Die exakte Behandlung des H-Atoms mittels der Schrödingergleichung führt zum selben Bild und gibt die richtigen Energiestufen. Statt eines exakten Ra- dius der n -ten Bahn r n = n 2 · a ist für diesen Abstand die Aufenthaltswahrscheinlich- keit des Elektrons besonders groß ( 109.4 ). 0 1s - Orbital E 1s  109.1 Die Grundschwingung einer Membran veranschaulicht die Elektronenwelle im Grund- zustand des Atoms. Die Amplitude der Schwingung ist in der Mitte am größten. Das 1 s-Orbital (rechts unten) ist eine kugelförmige „Wolke“, Elektronen können sich auch in ihrem Zentrum aufhalten. 0 2s 2s - Orbital E  109.2 Die erste angeregte Schwingung der Membran weist eine kreisförmige Knotenlinie auf, sie entspricht dem 2 s-Orbital. 0 2p 2p - Orbital E  109.3 Eine antisymmetrische Eigenschwin- gung der Membran weist eine Knotenlinie auf. Die entsprechende Elektronenverteilung nennt man 2p-Orbital. 1s 2s 3s P r ( ) r a 4a 9a 109.4 Radiale Aufenthaltswahrscheinlichkeit P( r ) des Elektrons im H-Atom. Im 1 s-Zustand ist der wahrscheinlichste Abstand der Bohr’sche Radius. In den höheren Zuständen kann sich das Elektron mit geringer Wahr- scheinlichkeit auch nahe am Atomkern be- finden. 109 | ATOMPHYSIK Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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