Sexl Physik 7, Schulbuch

3.2 Quantisierung der Energie – stehende Wellen Wie lässt sich verstehen, dass physikalische Systeme bestehend aus Atomkern und Elektronen, also Atome, nur bestimmte Energien besitzen können? Die Quanten- mechanik beantwortet diese Frage. Auf Schulniveau können wir allerdings nur ein qualitatives Verständnis mittels Analogien anstreben. Dabei nutzen wir, dass nicht nur Licht, sondern auch Materie Teilchen- und Welleneigenschaften zeigt. Daher vergleichen wir Atome mit schwingungsfähigen Gebilden wie gespannten Saiten oder schwingenden Membranen. Elektronen als Wellen Wenn Licht nicht nur Welleneigenschaften, sondern auch Teilcheneigenschaften hat, warum sollen Elektronen nicht neben Teilchen- auch Welleneigenschaften ha- ben? Im Jahr 1923 stellte der französische Physiker L OUIS DE B ROGLIE (1892–1987) in seiner Doktorarbeit eine kühne Hypothese auf, für die er zunächst keine Beweise hatte: Materie verhält sich unter gewissen Bedingungen wie eine Welle. So unglaublich dies damals geklungen hat, Beugung und Interferenz von Elektro- nen, Atomen, ja sogar von Molekülen wurden seither in zahlreichen Experimenten nachgewiesen (s. S. 97). Man spricht von Materiewellen . Die ersten Beugungsbil- der mit Elektronen wurden an Kristallen aufgenommen, sie entsprechen Beu- gungsbildern mit Röntgenlicht. ( 108.1/2 ) Wie bei Licht und den Photonen ist die Wellenlänge der Materiewelle umso kürzer, je größer die Energie des Teilchens ist. Was schwingt in einer Materiewelle? Ist es die Masse, ist es die elektrische La- dung? Die Ergebnisse zahlreicher Experimente lassen sich nur so verstehen: Zu jeder Materiewelle gehört eine mathematische Funktion, die sog. Wellenfunk- tion Ψ (Psi-Funktion), welche die Ausbreitung der Welle im Raum beschreibt und in der Regel zeitabhängig ist. Das Besondere an ihr ist, dass ihre Intensität Ψ 2 die Wahrscheinlichkeit angibt, das Elektron an einem bestimmten Ort zu finden. Stehende Wellen (s. Physik 6) treten auf, wenn das Ausbreitungsgebiet einer Welle wie z. B. bei der schwingenden Saite begrenzt ist. Bei einer schwingenden Saite der Länge L befinden sich an den Enden Schwingungsknoten. Die einfachsten stehen- den Wellen sind die Eigenschwingungen, bei denen die Saite in einer einheitlichen Frequenz, einer Eigenfrequenz (s. Physik 6, S. 58), schwingt. Für die entsprechen- den Wellenlängen gilt ( 108.3 ): L = n · λ n /2, also λ n = 2 L / n ( n = 1, 2, 3, …). Mit der Fortpflanzungsgeschwindigkeit c der Wellen ergeben sich die Eigenfre- quenzen der gespannten Saite zu f n = c / λ n = n · c /(2 L ), ( n = 1, 2, 3, …). Der größten Wellenlänge λ 1 = 2 L entspricht daher die niedrigste Frequenz f 1 = c /(2 L ). In der Quantenphysik hängen Energie und Frequenz über die Beziehung E = h · f zu- sammen. Die Eigenschwingungen der Saite entsprechen daher Zuständen mit ein- deutigen Energiewerten E n = h · f n . ( f n sind Frequenzen der schwingenden Saite.) Worin besteht die Analogie zwischen der schwingenden Saite und dem an den Atomkern gebundenen Elektron, worin unterscheiden sie sich? Unterschiedlich ist: Bei der eingespannten Saite schwingen ihre materiellen Teile. Im Atom schwingt die Wellenfunktion Ψ des an den Kern gebundenen Elektrons, die Intensität Ψ 2 be- stimmt die räumliche Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Elektrons. Den Eigen- schwingungen der Saite entsprechen die Eigenschwingungen der Wellenfunktion Ψ , deren Eigenfrequenzen entsprechen den diskreten Energiewerten. 108.1 Die Beugung von Röntgenstrahlen an einer Aluminiumfolie gleicht … 108.2 … der Beugung von Elektronen an derselben Folie. L Gummi- schlauch Faden Motor mit Exzenter 3· f 0 2· f 0 f 0 108.3 Die Eigenschwingungen einer Saite sind stehende Wellen. Durch geeignete An- regung werden Grundschwingung und Ober- schwingungen erzeugt. (Im Experiment er- setzt ein Gummiband die Saite.) 108 ATOMPHYSIK Nur zu Prüfzw cken – Eigentum des Verlags öbv

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