Physik Sexl 6 RG, Schulbuch

? Antwort auf die Eingangsfrage Das Herz und die Nervenzellen erzeugen elektrische Spannungen. Im Jahre 1903 fand der niederländische Arzt W ILLEM E INTHOVEN (1860–1927, Nobelpreis 1924) eine Methode zum Nachweis der elektrischen Spannungsänderungen, die vom Herzen ausgehen und zur Steuerung des Herzmuskels dienen. Sie sind auch noch auf der Körperoberfläche messbar. Damit wurde ein wichtiges Hilfsmittel geschaffen, um die Funktionsfähigkeit des Herzens von außen zu prüfen. Mit Elektroden an ver- schiedenen Stellen der Körperoberfläche werden die elektrischen Spannungspulse an bestimmten Stellen der Haut abgeleitet und durch ein hoch empfindliches Mess- gerät als Elektrokardiogramm (EKG) aufgezeichnet ( 78.1 , 78.2 ). Der Spannungspuls entsteht in den Zellen des „Sinusknotens“ im rechten Vorhof des Herzens. Diese Zellen sind spezielle Herzmuskelzellen, die selbstgesteuert etwa einmal pro Sekunde einen Spannungspuls hervorrufen und dadurch die gesamte Herzmuskulatur synchron arbeiten lassen. Während der Ruhepause des Herzens (Diastole) ist das Zellinnere negativ gegen- über dem Zelläußeren. Man spricht vom „Ruhepotenzial“. Der Grund liegt in einer unterschiedlichen Kaliumionen-Konzentration innen und außen. In der Erregungsphase (Systole) strömen positive Natriumionen aus dem Zelläuße- ren in das Innere. Dabei wird das Zellinnere positiv gegenüber dem Zelläußeren. Kurzzeitig ändert sich die Spannung um ca. 120mV ( 78.2 ). Die Aufzeichnung der Spannungsänderungen im EKG ergibt ein typisches Bild mit unterschiedlich hohen Zacken. Aus der Veränderung von Dauer, Höhe und Form der Zacken kann man Erkrankungen des Herzens erkennen ( 78.3 ). Der Sinusknoten steuert die Funktion des Herzmuskels: In der Erregungsphase (Systole) des Herzens wird innerhalb von 0,3 Sekunden das Blut aus den Herzkam- mern in die Hauptschlagader (Aorta) und in die Lungenschlagader gedrückt, in der Diastole strömt Blut aus den Vorhöfen in die Herzkammern. Wenn durch Erkrankung die Steuerung des Herzens durch den Sinusknoten ge- schädigt ist, kann die Herzfrequenz auf Dauer wesentlich unter 60 Schläge pro Mi- nute sinken. Der Körper wird nicht mehr ausreichend mit sauerstoffreichem Blut versorgt. Abhilfe schafft ein Herzschrittmacher. Er enthält eine Steuerelektronik, eine Batterie und Elektroden. Der Herzschrittmacher wird unter der Haut implan- tiert. Die Elektroden werden durch eine Vene ins Herz eingeführt. Sie dienen zur Überwachung der Herztätigkeit und zur notwendigen Stimulierung der Herzmus- kulatur durch schwache elektrische Impulse. Elektrische Spannungen werden zur Notbehandlung in der Elektroschocktherapie bei plötzlichen Herzstörungen eingesetzt. Bei einem Herzinfarkt kommt es häufig zum sog. Kammerflimmern , bei dem die Muskelzellen unkoordiniert kontrahieren und dadurch kein Blut pumpen: Es besteht höchste Lebensgefahr! An immer mehr öffentlichen Plätzen wird darauf hingewiesen, dass ein Defribillator (AED, 78.4 ) in der Nähe ist. Das Gerät ist programmgesteuert und gibt Anweisungen, die auch für medizinische Laien verständlich sind. Da das Gerät auch die Herztä- tigkeit prüft, können Helfer kaum etwas falsch machen – und bei diesen Notfällen zählt jede Minute! Im AED lädt eine Batterie einen Kondensator auf etwa 750V auf. Bei der Behand- lung werden dem Patienten zwei Elektroden auf die Brust gepresst, so dass die elektrische Entladung in einem kurzen Puls durch den Brustkorb fließt. Durch die- sen Elektroschock soll der Herzmuskel angeregt werden, seine periodische Kon- traktion wieder aufzunehmen. Ergänzung: Wenn kein Defibrillator verfügbar ist, kann bei Herzstillstand die Herzdruckmassage das Leben retten. Damit soll durch Zusammendrücken des Brustkorbs Blut ins Herz und in den Kreislauf befördert werden. In Notfällen ist jeder Mensch zur Hilfeleistung verpflichtet, soweit dies ohne Gefährdung der eige- nen Person möglich ist. 78.1 Die Spannungsänderungen am Sinus- knoten sind auf der Körperoberfläche messbar. Elektroden auf der Haut geben die Spannung an das EKG-Gerät weiter. 78.2 Ein EKG-Kleinstgerät für den mobilen Einsatz und privaten Gebrauch. normal unrhythmisch mit Flimmern Extrasystole 78.3 Interpretation der EKG-Kurven 78.4 Ein automatischer externer Defibrilla- tor (AED) kann Leben retten. Bei Herzinfarkten sinkt die Überlebenschance um 10% pro Minu- te! 78 E-LEHRE Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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