Physik Sexl 6 RG, Schulbuch

Nach längerer Umbaupause gab es am 14. September 2015 die große Überraschung: In beiden Labors wurden inner- halb 7ms übereinstimmende Signale registriert, die sich deutlich vom unvermeidlichen statistischen Rauschen un- terschieden. Eindrucksvoll zeigt dies 6.1, in der die Sig- nale übereinander gelegt und verglichen werden. Wie die Grafik zeigt, schwanken beide Signale anfangs un- abhängig voneinander um kleine Werte. Die Signale begin- nen kurz vor t = 0,30 s ähnlich zu werden, danach werden die Ausschläge synchron größer und schneller. Ab t ≈ 0,43 s sind die Signale wieder schwach. Wurde eine Gravitations- welle registriert? Oder waren es zufällige Schwankungen, die in beiden Detektoren gleichzeitig erfolgten? Das erwies sich als sehr unwahrscheinlich. Oder hat jemand Testdaten, die Gravitationswellen vortäuschen sollen, ins Analysesys- tem eingeschleust? Solche Tests der Software werden im- mer wieder gemacht, doch diesmal war es nicht der Fall. Schon zu Beginn des Projekts war klar, dass nur sehr spek- takuläre Ereignisse genügend Energie für beobachtbare Gravitationswellen liefern. In Betracht kommen vor allem Paare von Schwarzen Löchern , die einander umkreisen, dabei Energie abstrahlen und dadurch einander immer nä- her kommen. Nach dem 3. Keplerschen Gesetz nehmen da- bei ihre Bahngeschwindigkeit und ihre Umlaufsfrequenz zu, wodurch sie umso stärker Energie abstrahlen. Mit an- dauerndem Energieverlust kommen sie einander so nahe, dass sie zu einem einzigen Schwarzen Loch verschmelzen. Damit ist der wilde Tanz beendet, es kehrt wieder Ruhe in der Raumzeit ein. Während die Experimentalphysiker ihre Detektoren ent- wickelten, berechneten theoretische Physiker mit Compu- tersimulationen mögliche Abläufe solcher Ereignisse. 250000 verschiedene Modelle wurden gerechnet. Mit zu- sätzlichen Analysen ergab sich folgende Interpretation der Daten: 1,3Mrd. Lichtjahre entfernt von uns umkreisten einander zwei Schwarze Löcher von ca. 29 und 36 Sonnenmassen auf einer immer engeren Spiralbahn. Als ihr gegenseitiger Ab- stand nur mehr etwa 200 km betrug, verschmolzen sie zu einem Schwarzen Loch von ca. 62 Sonnenmassen. 5% der ursprünglichen Masse wurde innerhalb 0,1 s als Gravitati- onsstrahlung abgestrahlt. Buchstäblich ein Hauch dieser Energie zeigte sich als Signal in den LIGO-Detektoren. Bisher waren die Astronomen mit ihren Teleskopen immer auf elektromagnetische Strahlung (Licht, Mikrowellen, Röntgenstrahlung) angewiesen. Mit Gravitationswellen hat sich ein neues Fenster zur Erforschung des Universums er- öffnet. Schwarze Löcher: Die Kernfusion, die Verschmelzung von leichten Atomkernen zu schwereren, ist die Energiequelle der Sterne. Am Lebensende von massereichen Sternen lie- fert sie nicht mehr genug Energie, um durch hohe Tempera- tur im Sterninneren mit dem Gasdruck den Gewichtsdruck der Sternmaterie zu kompensieren: Der Stern kollabiert un- ter dem eigenen Gewicht. Wenn die Masse des Sternenrests größer als drei Sonnenmassen ist, entsteht ein „Schwarzes Loch“. Die Schwerkraft am Rand von Schwarzen Löchern ist so groß, dass aus ihrem Inneren weder Licht noch Materie entweichen können, und was ihnen zu nahe kommt, wird verschluckt – daher der Name. Schwarze Löcher sind sehr kompakt: Ein Schwarzes Loch mit 62 Sonnenmassen hat ei- nen Radius von ca. 200 km . Schwarze Löcher mit wesentlich mehr Masse als diese Ster- nenreste befinden sich vermutlich in den Zentren aller Ga- laxien. Das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße hat eine Masse von etwa 4,3 Mio Sonnenmassen. Untersuche, überlege, forsche: Bahngeschwindigkeit E2 Wie schnell bewegen sich die beiden Schwarzen Löcher kurz vor dem Verschmelzen auf ihren Bahnen? Nimm zur Vereinfachung zwei gleiche Massenpunkte mit je 30 Sonnenmassen an, die sich auf einer Kreisbahn von 600 km Radius um den gemeinsamen Schwerpunkt bewegen. (s. Physik 5/Kreisbewegung) Wie lange dauert ein Umlauf? Vergleiche die Bahngeschwindigkeit mit der Lichtgeschwindigkeit! Indirekter Nachweis von Gravitationsstrahlung Wie eine zufällige Entdeckung eines Doktoranden und sei- nes Professors zu einem Nobelpreis führt, zeigt der erste, allerdings indirekte Nachweis von Gravitationsstrahlung. Seit ihrer Entdeckung 1967 sind Pulsare ein heißes For- schungsthema. Pulsare sind kompakte Endprodukte der Entwicklung von Sternen. Etwa eine Sonnenmasse ist in ei- ner Kugel von ca. 15 km Radius konzentriert, die rasend schnell rotiert und gleichzeitig Radiowellen eng gebündelt abstrahlt. Trifft so ein Bündel regelmäßig die Erde, ent- spricht dies dem Ticken einer Uhr. Das Besondere an dem von J. T AYLOR und R. H ULSE untersuchten Pulsar ist eine pe- riodische Änderung des Tickens: Sie erkannten darin die Umlaufbewegung des Pulsars als Teil eines Doppelsternsys- tems. Nach fünfzehnjähriger Beobachtung stand fest: Die Umlaufsdauer nimmt – genau wie von der ART vorherge- sagt – ab, die Partner des Doppelsternsystems kommen ein- ander langsam näher, indem das System Gravitationsener- gie abstrahlt. Diese Entdeckung brachte 1993 den Forschern den Nobelpreis. 6.1 Die Signale der beiden Detektoren (rote und blaue Kurven) zeigen während knapp 0,2s nahezu gleiches Verhalten. „Strain“ ist die un- glaublich kleine relative Dehnung des Lichtwegs: Bei Strain = 10 –21 hat sich der 4 km lange Interferometerarm um 4·10 -18 m gedehnt! Der obere Teil der Grafik zeigt die Entwicklungsschritte des Systems von der immer engeren Spiralbahn („Inspiral“) bis zum Verschmelzen („Merger“) zweier Schwarzer Löcher 6 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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