Das Zahlenbuch 1, Begleitband für Lehrerinnen und Lehrer mit CD-ROM

30 Themenblock Kraft der Fünf Mathematische und didaktische Grundlagen Zählen und Rechnen ist der Grund aller Ordnung im Kopf. Das war eine der Meinungen, die Gertrud am eifrigsten behauptete und die in ihrer Erziehung einen großen Einfluss hatte. Johann Heinrich Pestalozzi In diesem Themenblock tritt eine Form der Strukturierung von Zahlen voll ins Rampenlicht, die in der Frühförderung und beim ersten Themenblock noch im Hintergrund stand: die sogenannte „Kraft der Fünf“. Mit dieser Bezeichnung wird die besondere Be- deutung der Zahl 5, der Hälfte von 10, als Stütze der Anzahler- fassung hervorgehoben. Warum lohnt es sich, in der Volksschule diese Form der Strukturierung besonders zu betonen? Argumente für die „Kraft der Fünf“ Es gibt eine ganze Reihe guter Gründe, die Zahl 5 beim Rechnen besonders hervorzuheben: 1. Die menschliche Hand hat 5 Finger. Da die Menschen in der Ur- zeit die Finger zum Zählen benutzten, hat sich die 5 als eigene Zähleinheit zwangsläufig ergeben. 2. Psychologische Experimente zeigen, dass das Gehirn in der Lage ist, bei ungeordneter Plättchenmengen die Anzahl rela- tiv schnell zu erfassen, wenn diese klein ist. Die Zahl 5 mar- kiert die Grenze, nach welcher die Anzahlbestimmung deutlich mehr Zeit erfordert. Die Zahl 5 ist also die Grenze der „Simul- tanerfassung“. Bei Kindern liegt diese Grenze bei 4, kann aber durch Training gesteigert werden. 3. Die meisten Kulturvölker benutzten die Kraft der Fünf in der einen oder anderen Form für die Darstellung von Zahlen. Beispiele: 3.1 In der Zahldarstellung der Römer gab es folgende Grund- zeichen: I (1), V (5) und X (10), L (50), C(100). Es ist bemerkens- wert, dass die obere und untere Hälfte des Zeichens X je ein V darstellt (das untere V umgekehrt). Aus diesen Grundzeichen wurden die Zeichen für die ande- ren Zahlen nach bestimmten Regeln zusammengesetzt: II (2), III (3), IV (4=5–1, d. h. 1 weniger als 5), VI (6=5+1), VII (7=5+2), VIII (8=5+3), IX (9=10–1, d. h. 1 weniger als 10), XI (11=10+1), XII (12), XIII (13), XIV (14), XV (15), XVI (16), XVII (17), XVIII (18), XIX (19, d. h. 1 weniger als 2 Zehner). Ohne die Verwendung eigener Zeichen für halbe Zehner, hal- be Hunderter und halbe Tausender würde die Zahldarstellung erheblich unübersichtlicher. 3.2 Die gebräuchlichste Darstellung der ersten neunzehn Zah- len bei den Maya (300 bis 900 n. Chr. auf der Halbinsel Yuca- tan/Mittelamerika, heute zu Mexiko gehörend) fußt ebenfalls auf der Kraft der Fünf: 10 1 11 2 12 3 13 4 14 5 15 6 16 7 17 8 18 9 19 Die Zahl 20 war die Basis des Positionssystems der Maya. Mit den Stufenzahlen 1, 20, 400 (= 20 · 20), 8 000 (= 20 · 20 · 20) usw. und den obigen Darstellungen der Zahlen 1–19 konnten die Maya beliebig große Zahlen darstellen. Es handelt sich bei dem Ziffernsystem der Maya aber nicht um das Stellenwertsystem mit der Basis 20, da die Zahlen 1–19 nicht durch je eine eigene Ziffer, sondern mithilfe der zwei Zei- chen (für 1) und (für 5) dargestellt sind. 3.3 Auch heute gibt es in manchen Sprachen noch Zahlwörter, die die Kraft der Fünf widerspiegeln, wie z. B. in einem afrikani- scher Dialekt in Mozambique: 1 mo  6 sanumo 2 ili  7 sanuili 3 tatu  8 sanutatu 4 me  9 sanume 5 sanu 10 kuni 4. Die Zahl 5 trat als eigene Zahleinheit auch in Rechengeräten auf, die vor Einführung des schriftlichen Rechnens mit Ziffern verwendet wurden und in Asien heute noch in Gebrauch sind. 4.1 Rechenbretter Noch AdamRies verwendete das „Rechnen auf den Linien“ mit guten Gründen als Vorstufe zum „Rechnen mit den Federn“ (d. h. mit Gänsefedern als den damals üblichen Schreibgeräten für das schriftliche Rechnen). Bei dieser Form des Rechnens waren auf einem Rechenbrett von unten nach oben Linien mit den Wertigkeiten 1, 10, 100, 1000, 100000 usw. angeordnet. Ein Plättchen, das auf einer dieser Linien lag, hatte den Wert der betreffenden Einheit. Um die Zahl der benötigen Plättchen zu reduzieren, wurden Plättchen auch in die Zwischenräume zwischen den Linien gelegt: ein Plättchen zwischen den Linien für 1 und 10 bedeutete 5, ein Plättchen zwischen den Linien 10 und 100 bedeutete 50, ein Plättchen zwischen den Linien 100 und 1000 bedeutete 500, usw. Beispiel: Für die Darstellung der Zahl 3697 auf den Linien werden am Rechenbrett nur 13 Plättchen benötigt (statt 25 Plättchen spä- ter auf der Stellentafel). Darstellung der Zahl 3697 mit dem Rechenbrett: 4.2 In Japan ist ein Rechenbrett, der Soroban, gebräuchlich, bei dem von rechts nach links vertikale Stäbemit je vier Holzperlen Nur zu Prüfzwecken – Eig ntum des Verlags öbv

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