Big Bang 7, Schulbuch

3dx6pw RG 7.2 G 7.2 Kompetenzbereich Theorienentwicklung 95 Chaotische Systeme 37 Abb. 37.1: Einer der ersten computerberechneten Stunts war ein „Auto-Spiralsprung“ in einem James-Bond-Film der 1970er. Die Physik entwickelt sich immer weiter. Hypothesen werden durch experimentelle Bestätigung zu Theorien . Weil man aber irgendwann einmal verallgemeinern muss, sind Theorien niemals zu 100% sicher (siehe Kap. 1, „Big Bang 5“). Von Zeit zu Zeit wird daher etwas entdeckt, das die alten Theorien um- stößt und zu neuen führt. Ein sehr gutes Beispiel dafür sind die dramatischen Änderungen im Weltbild durch die Quanten- mechanik (Kap. 33 bis Kap. 36, ab S. 53). In diesem Kapitel sehen wir uns an, wie es mit der Berechen- barkeit der Welt aussieht. Die physikalischen Gesetze erlauben ja einen Blick in die Zukunft. Man kann zum Beispiel die Flug- bahn einer Rakete vorausberechnen oder die eines Autos, bevor man einen Stunt probiert (Abb. 37.1). Es gibt sogar Ereignisse, die man Jahrhunderte vorausberechnen kann. Man hat zum Beispiel berechnet, dass am 24. Jänner 3098 eine ringförmige Sonnenfinsternis stattfinden wird, die 12 Minuten und 5 Sekunden dauert. Man dachte früher, dass die Welt generell vorausberechenbar ist. Seit den 1960ern weiß man aber, dass es Systeme gibt, die extrem sensibel auf leicht unterschiedliche Ausgangssituationen reagieren. Man spricht dann von chaotischen Systemen oder kurz von Chaos. Das Wetter ist ein sehr gutes Beispiel dafür, denn manchmal erweist sich sogar die Prognose für den nächs- ten Tag als falsch. Im Alltag bezeichnen wir mit Chaos ein heilloses Durcheinander. Das „physikalische Chaos“ hat oft sogar einen hohen Grad der Ordnung (siehe Abb. 37.19, S. 101), aber trotzdem ist es unvorhersagbar! 37.1 Von Zeitreisen und Dämonen Starkes und schwaches Kausalitätsprinzip „Es gibt nur eine Konstante, eine Universalität. Es ist die einzige echte Wahrheit: Kausalität. Ursache und Wirkung.“ (Der Merowinger in Matrix Reloaded) Der Philosoph P IERRE DE L APLACE vertrat 1814 folgende Ansicht: Angenommen, es gäbe eine Super-Intelli- genz – man nannte sie später den Dämon. Diese kennt alle Naturgesetze und den exakten momenta- nen Zustand des Universums. Dieser Dämon könnte dann doch Zukunft und Vergangenheit völlig exakt berechnen, oder nicht? Halte eine Münze wie in Abb. 37.2 und lass sie fallen. Wiederhole das Experiment einige Male und versuche dabei, die Münze immer exakt senkrecht zu halten. Auf welche Seite fällt sie? Immer auf dieselbe oder nicht? Wovon hängt das Ergebnis ab? Eine bekannte Paradoxie lautet so: Stell dir vor, du reist in die Vergangenheit und verhinderst dort, dass sich deine Eltern kennen lernen. Was würde dann passieren? Und warum ist das Ganze paradox? F1 E2 F2 E1 Abb. 37.2: Auf welche Seite fällt eine senkrecht gehaltene Münze? F3 S2 Es gibt eine universelle Ordnung im Universum: die Kausali- tät. Damit ist gemeint, dass jedes Ereignis von einem frühe- ren Ereignis ausgelöst wird. Dinge passieren also nicht ein- fach so. Es gibt also immer Ursache und Wirkung, und diese sind durch eine kausale Kette miteinander verbunden. Ein ganz simples Beispiel: Du machst deine Hausübung nicht (= Ursache) und deshalb ist der Lehrer sauer (= Wirkung). Abb. 37.3: a) Schematische Darstellung einer Kausalkette b) Gilt das starke Kausalitätsprinzip, dann wirken sich kleine Änderungen der Bedingungen nicht stark aus. Das entspricht den meisten Alltagserfahrungen. c) Gilt das schwache Kausalitätsprinzip, dann wirken sich kleine Änderungen stark aus. Das ist in chaotischen Systemen der Fall. In einem vernünftigen Universum wie unserem laufen kausale Ketten unter gleichen Bedingungen exakt gleich ab (Abb. 37.3 a). Deshalb sind wir auch in der Lage, durch theo- retische Überlegungen Gleichungen abzuleiten, mit denen wir die Natur berechnen können. E ist immer exakt mc 2 und nicht manchmal ein bisschen mehr oder weniger. Exakt glei- che Ausgangsbedingungen liefern also immer exakt gleiche Ergebnisse. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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