Big Bang 7, Schulbuch

88 RG 7.2 G 7.2 Erweiterung Quantenphysik Und nun zur Katze ( F2 ). Mit seinem Gedankenexperiment wollte S CHRÖDINGER zeigen, dass der Übergang von Quanten zu großen Objekten nicht problemlos ist und zu – scheinbar – paradoxen Situationen führen kann. Wir wissen aus Erfah- rung, dass man niemals lebendtote Katzen sieht! Wir wissen auch, dass man Quanten durch Wellenfunktionen sehr gut beschreiben kann. Dieses mathematische Konzept ist expe- rimentell extrem gut belegt. Mehr wissen wir nicht! Der Rest ist Interpretation und daher Geschmackssache! Info: Vier Nobelpreisträger Nach der Kopenhagener Deutung ist die Katze tatsächlich in einem Mischzustand, solange du nicht in der Box nach- siehst. Erst dadurch entscheidet sich, ob die Katze lebendig ist oder nicht. Genauso wie man auch für ein Elektron im Vier Nobelpreisträger Es ist interessant, dass sich vier große Physiker , die den Nobelpreis für ihre Entdeckungen im Bereich der Quanten- mechanik bekommen haben, in späteren Jahren gegen deren Konsequenzen gestellt haben. Diese vier großen Physiker waren: 1) M AX P LANCK , der als erster annahm, dass Energie nur in Portionen aufgenommen und abgegeben werden kann und nach dem das Planck’sche Wirkungsquantum benannt ist (Kap. 30.1, S. 27); 2) A LBERT E INSTEIN , der mit Hilfe der Lichtquanten den Foto- effekt erklären konnte (Kap. 33.3, S. 57); 3) L OUIS D E B ROGLIE , der die Idee hatte, dass nicht nur Licht, sondern alle Quanten sowohl Wellen- als auch Teilchen- eigenschaften aufweisen (Kap. 33.4, S. 59); 4) Und schließlich E RWIN S CHRÖDINGER , mit dessen Gleichung man die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion berech- nen kann, ohne die wir das Atom und seine Elektronen nicht verstehen könnten (Kap. 33.5, S. 61). Die Tatsache, dass sogar für solche Kapazunder die Quan- tenmechanik schwer oder gar nicht verdaulich war, sollte eine große Beruhigung für dich sein. i Abb. 36.4: M AX P LANCK (1858–1947) Abb. 36.5: A LBERT E INSTEIN (1879–1955) Abb. 36.6: L OUIS DE B ROGLIE (1892–1987) Abb. 36.7: E RWIN S CHRÖDINGER (1887–1961 ) Orbital in Abb. 36.2 b (S. 87) erst zum Zeitpunkt der Messung feststellt, wo es sich befindet. Nach der Viele-Welten- Interpretation siehst du beim Öffnen in einem Universum eine tote und in einem anderen Universum eine lebende Katze. Ab etwa 1970 hat sich noch eine andere Interpreta- tion entwickelt, die man Dekohärenz-Deutung nennt. Info: Absurd kurz Absurd kurz Das Problem an der Kopenhagener Deutung liegt in der Be- obachtung. Was ist, wenn du nach einer Stunde nicht in die Box schaust? Weiß dann die Katze selbst, ob sie lebendig ist oder tot? Und noch weiter gedacht: Muss uns laufend je- mand beobachten, damit wir nicht in einer Überlagerung aus verschiedenen Zuständen leben? Was ist, wenn du würfelst, und keiner beobachtet dich? Liegt der Würfel dann auf allen Seiten, bis dich jemand beobachtet? Und wer beobachtet den, der dich beobachtet? Und so weiter … Mit der Dekohärenz-Deutung kann man dieses Dilemma überwinden. Vereinfacht besagt sie, dass sich jedes System in einem Überlagerungszustand befinden kann, also auch die Katze. Jetzt kommt das wichtige Aber: Die Zeit ( t d ), wie lange dieser Zustand bestehen kann, ist indirekt proportio- nal zur Masse des Systems: t d ~ 1/ m . Je größer das System wird, desto mehr Wechselwirkungen mit der Umgebung gibt es, die die Wellenfunktion schneller zum Kollaps brin- gen. Diesen „Selbst-Kollaps“, der nicht durch Beobachtung oder Messung, sondern durch die immer vorhandene Wech- selwirkung mit der Umwelt erfolgt, nennt man Dekohärenz und die Zeitdauer t d bis dahin Dekohärenzzeit. Ein Atom hat eine typische Masse von 10 –27 kg, eine – etwas dicke – Katze 10 kg. Die Dekohärenzzeit der Katze ist also um einen Faktor 10 –28 kürzer als die des Atoms. Es gibt somit zwar lebendtote Katzen, aber ihre Existenz ist so absurd kurz, dass dieser Zustand nicht beobachtet werden kann. Es ist ähnlich, wie bei der Materiewellenlänge eines großen Objekts (Tab. 33.2, S, 59). Die Wellenlänge, die man zum Be- spiel einem Menschen zuordnen kann, ist ein theoretischer Wert, weil seine Wellenfunktion extrem schnell kollabiert. Fazit: Auch nach der Dekohärenz-Deutung wissen wir zwar erst beim Hineinschauen, ob die Katze tot ist oder nicht. Aber sie war schon vor dem Hineinschauen tot oder leben- dig. Das ist der große Unterschied zur Kopenhagener Deu- tung. i Abb. 36.8: Überlagerungs- zustände kann man nur im Quantenreich beobachten, weil sie bei alltäglichen Objek- ten absurd kurz exis- tieren. Allerdings ist die Grenze fließend und nicht abrupt wie in diesem Bild. Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=