Big Bang 7, Schulbuch

t4a64q RG 7.2 G 7.2 Erweiterung Quantenphysik 87 Fortgeschrittene Quantenmechanik 36 In diesem Abschnitt geht es um weiterführende Themen aus der Quantenmechanik – teilweise ziemlich schwere Brocken. Deshalb solltest du die Kapitel 33 bis 35 bereits gelesen haben. Die Quantenmechanik hat noch viele Überraschungen und Ab- surditäten auf Lager. Sie widerspricht dem gesunden Menschenverstand, deckt sich aber völlig mit der quantenmechanischen Mathematik. Deshalb gab Richard Feynman einmal den Rat: „Shut up and calculate!“ In diesem Kapitel geht es unter ande- rem um scheinbar überlichtschnelle Phänomene, ums Beamen und um das berühmteste „Tierexperiment“ der Physik. 36.1 Kollabierende Wellenfunktion Schrödingers Katze E RWIN S CHRÖDINGER hat 1935 ein Gedankenexperiment vorge- schlagen, mit dem er darauf hinweisen wollte, dass der Übergang von der Quantenmechanik zur klassischen Physik Probleme aufwirft. Ein Elektron in der Hülle eines Atoms befindet sich an kei- nem bestimmten Ort, sondern in einem Orbital, das seiner Aufenthaltswahrscheinlichkeit entspricht (siehe Kap. 34.3, S. 70). Es befindet sich in einem Überlagerungszustand aus allen möglichen Orten und ist quasi überall und nirgends. Wenn man aber eine Messung durchführt, dann wird man das Elektron immer an einer bestimmten Stelle finden (Abb. 36.2 b). Wie lässt sich dieses Dilemma interpretieren? Ende der 1920er entstand unter Federführung von N ILS B OHR eine Interpretation, die heute als Kopenhagener Deutung bekannt und verbreitet ist. Vereinfacht besagt sie: Solange man an einem Quant keine Messung vornimmt, befindet es sich in allen möglichen Zuständen. Diese werden durch seine Wellenfunktion beschrieben. In dem Moment, in dem man aber eine Messung durchführt, kollabiert die Wellen- funktion und man findet das Teilchen in einem bestimmten Zustand. Ein anderer Denkansatz ist die Viele-Welten-Inter- pretation ( Info: Multiversum). Was versteht man in der Quantenmechanik unter der Wellenfunktion? Lies nach in Kap. 33.5, S. 62! In einer undurchsichtigen Box befinden sich ein radioaktives Atom, ein Hammer, eine Giftflasche und die berühmte Schrödingerkatze (Abb. 36.1). Zerfällt das Atom, zerschlägt der Hammer die Giftflasche und die Katze stirbt. Angenommen, das Atom zerfällt innerhalb einer Stunde mit einer Wahrscheinlichkeit von 50%. Nach den Regeln der Quantenmechanik befindet es sich nach einer Stunde also in einer Überlagerung zwischen zerfallen und nicht zerfallen. Was ist dann aber mit der Katze? Lebt sie (a), ist sie tot (b), oder ist sie beides? F1 W1 F2 S2 Abb. 36.1: Schrödingers arme Katze Abb. 36.2: a) Flächendarstellung eines 2p-Orbitals: Das Elektron be- findet sich mit 90%iger Wahrscheinlichkeit innerhalb der Fläche. Wo, kann man nicht sagen. b) Beim Messen findet man das Elek- tron immer nur an einer bestimmten Stelle. Die Punkte zeigen die „Fundorte“ von vielen tausenden Messungen. Je größer die Auf- enthaltswahrscheinlichkeit, desto enger liegen die Punkte. Multiversum Eine andere Auslegung aus den 1950ern, die vor allem in Science-Fiction-Filmen sehr beliebt ist, ist die Viele- Welten-Interpretation. Sie besagt vereinfacht, dass immer dann, wenn ein Ereignis völlig dem Zufall überlassen ist, alle Möglichkeiten auftreten und sich das Universum dabei quasi in Paralleluniversen aufspaltet. Diese ergeben zusam- men ein Multiversum. Nehmen wir das Würfeln : Alle 6 Augenzahlen sind gleich wahrscheinlich. Wenn du würfelst, dann zeigt nach der Viele-Welten-Interpretation der Würfel nachher tatsächlich alle 6 Seiten – aber in 6 verschiedenen Paralleluniversen (Abb. 36.3). Ähnliches gilt auch, wenn du den Ort des Elek- trons in Abb. 36.2 b bestimmst – nur entstünden bei dieser Messung noch wesentlich mehr Paralleluniversen, weil es auch viel mehr Möglichkeiten gibt. Das klingt ziemlich verrückt, vor allem wenn du bedenkst, wie viele Myriaden Paralleluniversen es geben müsste – und in jedem sitzt ein Doppelgänger von dir. Auf der ande- ren Seite muss man aber zugeben, dass es nichts gibt, was gegen diese Interpretation spricht. Dennoch steht die Mehr- heit der Physiker der Viele-Welten-Interpretation eher skep- tisch gegenüber, weil damit das „Messproblem“ nicht ge- löst, sondern nur wegdiskutiert wird. i Abb. 36.3: Nach der Viele-Welten-Interpretation Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags M öbv

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