global 8. Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch

131 Geld und Währung analysieren (WIKU) Die Doppelnatur des Menschen als Individuum und als soziales Wesen kommt im neoliberalen Konzept zu kurz. Zentrale Forderungen wie „gesellschaftliche Verantwor- tung“, „Bereitschaft zum gesellschaftlichen Engagement“ usw. haben in diesem Konzept kaum Platz. Welche Aufgabe hat die Finanzwirtschaft im Real- bzw. im Finanzkapitalismus? Im Realkapitalismus bestand bzw. besteht die Hauptauf­ gabe der Finanzwirtschaft darin, Dienstleistungen für die Wirtschaft zu erbringen. Durch die Vergabe von Krediten sollen Investitionen gefördert werden. Mit dem Kauf von Aktien werden Unternehmen gestützt und Investorinnen und Investoren werden an den Unternehmensgewinnen beteiligt. Im Realkapitalismus orientiert sich der Kurs der Aktien am tatsächlichen Wert des Unternehmens. Heute fließt nur ein geringer Teil des weltweiten Kapitals in die Realwirtschaft. Spekulationen und Wetten, die von großen Finanzinstitutionen abgeschlossen werden, treten in den Vordergrund. Bei diesen Wetten handelt es sich zB um Derivate (M4). Es werden riesige Summen auf das Eintreten eines gewissen Szenarios oder einer gewissen Kursentwicklung bestimm- ter Rohstoffe oder Währungen in der Zukunft gewettet. Wird auf ein bestimmtes Ereignis mit genügend Kapital gesetzt, kann dieses auch tatsächlich eintreten. Die in die- sem Fall entstandene Preissteigerung hat aber nichts mit einer realen Ursache wie zB erhöhter Nachfrage zu tun, sondern sie entsteht nur durch diese Wetten. Diese Finanz- produkte besitzen keinen realen Gegenwert, sie dienen nur ihrem Selbstzweck. Was passiert, wenn die Geschäfte im Finanz­ kapitalismus schief laufen? Die Finanzinstitute sind durch die gegenseitige Kreditver- gabe stark vernetzt. Etwaige Verluste durch falsche Speku- lationen verbreiten sich im Bankensystem in Windeseile. Geht eine große Bank Pleite, reißt sie andere mit. So wird Kapital vernichtet und die Anlegerinnen und Anleger verlie- ren letztlich ihr Geld. In weiterer Folge können weniger Kredite vergeben werden, und es kommt zu Wirtschaftskri- sen. Um diese zu verhindern, müssen die Staaten die Ban- ken stützen. Damit erhöht sich die Staatsverschuldung. Schlussfolgerung: Die völlig aufgeblähte Finanzwirtschaft hat sich von der Realwirtschaft abgekoppelt und dient nicht mehr ihrem Nutzen, was sich aber dramatisch auf diese auswirken kann. (vgl. S. 28–31). Was sind Derivate? Ein Derivat ist ein Finanzprodukt, dessen Preis und Ent- wicklung vom Preis eines anderen Finanzproduktes, zB einer Aktie, einem Rohstoff (Erdöl, Kakao, Soja, Gold usw.), einer Währung (zB US-Dollar) abhängt. Ursprünglich wa- ren Derivate ein mögliches Finanzinstrument, sich gegen starke Preisänderungen finanziell abzusichern. Heute ist das Spekulationsmotiv in den Vordergrund gerückt. Mit einem Derivat spekuliert man darauf, dass der Preis eines bestimmten Produktes in Zukunft steigen oder fallen wird und erhofft sich im Erfolgsfall einen hohen Gewinn. Zwei konkrete Zahlenbeispiele: Ende des Jahres 2017 betrug das weltweite Volumen aller Derivate ca. 760 Billionen US-Dollar. Das entspricht vier- zehnmal dem Wert der weltweit produzierten Waren. Das Tagesvolumen im globalen spekulativen Währungs- markt beträgt derzeit eine halbe Billion US-Dollar. (Kögler 2018) M4 Derivate – Begriff und Zweck 1 Erläutern Sie, in welchen zentralen Punkten sich der Real- vom Finanzkapitalismus unterscheidet. 2 Bis Mitte der 1970-er Jahre war das „Gewinnstreben“ des Kapitals auf die Realwirtschaft ausgerichtet. Erklären Sie, welche positiven Auswirkungen dies auf die Ge- samtwirtschaft hatte. 3 Erklären Sie die Rolle und die Aufgaben, die die Finanz- wirtschaft im Realkapitalismus hat bzw. hatte. 4 Erläutern Sie den Begriff und den Zweck von Derivaten. 5 In einer Spekulationsblase ist es so, dass zB Wertpapie- re oder Immobilien weit über dem eigentlichen Wert gehandelt werden. Gehen die Kurse und Preise schlag- artig zurück, spricht man von einer Blase, denn es be- darf nur eines kleinen „Nadelstichs“, um die Blase plat- zen zu lassen. Erklären Sie die möglichen Auswirkungen des Platzens einer Blase. 6 Analysieren Sie die folgende Karikatur. " { { { { { M5 Finanzwirtschaft (Karikatur von Thomas Wizany, 2016) Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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