global 8. Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch

106 Fallbeispiel London – eine Stadt der Superreichen? London: Einwanderungsmagnet Obwohl Menschen in ein und derselben Stadt wohnen, leben sie oft in unterschiedlichen Welten. Das zeigt das Beispiel London deutlich. Mit neun Millionen Einwohnerin- nen und Einwohnern leben hier so viele Menschen wie in keiner anderen europäischen Hauptstadt. London ist ein Magnet für Einwanderinnen und Einwanderer aus der gan- zen Welt – mittlerweile ist jeder dritte Bewohner bzw. jede dritte Bewohnerin nicht in London geboren. Allein in den Jahren von 2001 bis 2011 sind vier Millionen Menschen nach Großbritannien gekommen, davon eine Million in die Hauptstadt. London platzt mittlerweile aus allen Nähten, im europäischen Vergleich gehört die britische Hauptstadt zu den am dichtest besiedelten Städten. Der Bedarf an Wohnraum kann von der Stadt kaum noch gedeckt werden. Rund um London befindet sich ein Grüngürtel, der nicht bebaut werden darf. Zudem gibt es strenge Vorschriften bezüglich der traditionellen Baustruktur, die zwei- bis höchstens dreistöckige Reihenhäuser vorsieht. Das Leben in London ist zudem sehr teuer geworden. Neben steigenden Mieten werden auch Lebensmittel und Freizeitaktivitäten laufend kostspieliger. Auch für die gut verdienende Mittel- schicht ist das Leben in London kaum noch leistbar. Geld regiert die Welt – oder zumindest London Das Leben in London ist stark von Geld bestimmt. Mit sei- ner berühmten Börse und den Bankenvierteln ist die Metro- pole nicht umsonst der weltweit wichtigste Finanzplatz. Die Bruttowertschöpfung pro Kopf ist überdurchschnittlich hoch, zudem leben nirgends auf der Welt so viele Milliar­ därinnen und Milliardäre wie in London. An der Börse, der London Stock Exchange, werden täglich umgerechnet mehr als fünfeinhalb Milliarden Euro umgesetzt. Das allerdings ist kein neues Phänomen, sehr wohl neu ist, dass sich selbst gut ausgebildete Menschen der Mittel- schicht das Leben in London kaum noch finanzieren kön- nen. Viele Menschen befürchten, dass London zu einer Stadt der oberen paar Tausend werden könnte. Wohnungsnot vs. Immobilienüberschuss Das Interesse am Londoner Immobilienmarkt steigt welt- weit. Nach Berechnungen einer Immobilienfirma haben ausländische Investorinnen und Investoren im Jahr 2013 rund neuneinhalb Millionen Euro in Immobilien investiert. Deshalb steigen die Häuserpreise jährlich im zweistelligen Prozentbereich an. Nicht einmal für normal- bis gutverdie- nende Menschen ist es möglich, bei einem Durchschnitts- kaufpreis von 6 500 000 Euro Eigentum zu erwerben. Trotz gut bezahlter Jobs bleibt kaum Geld zum Sparen üb- rig. Eine alleinstehende Londonerin bzw. ein alleinstehen- der Londoner müsste Berechnungen zufolge 29 Jahre lang sparen, um das Grundkapital von 20 Prozent aufbringen zu können, das für den Kauf einer Wohnung nötig ist. Auch die Mieten gehören mit durchschnittlich 1500 Euro, was fast die Hälfte der monatlichen Bruttogehälter vieler Londone- rinnen und Londoner ausmacht, zu den höchsten Mieten weltweit. Daher leben viele Singles auch im Alter von über 30 Jahren noch in Wohngemeinschaften. Auf der einen Seite herrscht extreme Wohnungsnot, auf der anderen Seite stehen tausende Immobilien, die von wohl- habenden Russen, Chinesen oder EU-Bürgern zur Anlage gekauft wurden, leer. In Islington, einem Stadtteil, der von der weißen Mittelschicht dominiert ist, ist jeder dritte Neu- bau unbewohnt. Künftig will die Verwaltung für Investorin- nen und Investoren hohe Strafen verhängen, wenn sie ihre Wohnungen nicht vermieten. Ob das allein die Lösung für alle Probleme ist, ist zu bezweifeln. M1 Wohnviertel der Reichen und Armen (Fotos 2018 und 2016) London – die härteste Stadt Europas „Lasst uns ein kleines nostalgisches Spiel spielen und uns daran erinnern, welcher Stadtteil vor 20 Jahren für was stand“, seufzte jüngst der Galerist und Clubbesitzer Alex Proud in einer Zeitungskolumne. „Hampstead: Intellektu­ elle. Islington: Medienszene. Camden: Bohemiens, Goths und Punks. Fulham: dumme Poshos, die sich Chelsea nicht leisten konnten. Notting Hill: coole Kids. Chelsea: wirklich reiche Leute. Und heute? Überall nur noch reiche Leute.“ Proud spricht damit etwas aus, was immer mehr Londoner denken. (https://www.welt.de/wirtschaft/article139036189/London- die-haerteste-Stadt-Europas.html, Stefanie Bolzen ua, 5. 4. 2015, abgerufen am 6. 4. 2018) M2 Wohnen in London Kompetenzorientierte Lernziele  Vielfalt der subjektiven Wirklichkeiten in Städten vergleichen  soziale Differenzen in urbanen Räumen analysieren Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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