global 8. Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch

105 Städte als Lebensräume und ökonomische Zentren untersuchen Grenzen beim Wohnen Europa erlebt derzeit einen unglaublichen Aufschwung dieser geschlossenen, ummauerten und oft bewachten Wohnsiedlungen, „Gated Communities“ genannt. Dieses Wohnmodell verspricht Sicherheit, Service und Konformi- tät und erfreut sich nicht nur in den USA, Südostasien, Südamerika oder im Nahen Osten großer Nachfrage. Im- mer öfter sind diese Siedlungsmodelle in der europäi- schen Wohnlandschaft zu finden. In Deutschland, Groß­ britannien, Spanien, Polen, Rumänien, Bulgarien, Portugal und Frankreich entstehen laufend neue Gated Communi- ties und finden großen Anklang. Die BewohnerInnen diverser Gated Communities lassen sich dabei längst nicht mehr durch Polaritäten wie „arm und reich“ definieren: Gerade in Europa werden immer mehr solcher abgeschotteter Siedlungen für Angehörige der Mittelschicht gebaut, die ein wachsendes Bedürfnis nach Sicherheit verspüren. Auch in Österreich schafft sich die Wohnform der Gated Community ihren Raum. Die erste „softe“ Form eines sol- chen Corporate Village wurde im Jahr 1996 eröffnet. „Fon- tana“, so der Name eines von Frank Stronach erbauten Wohnparks mit angeschlossenem Golfplatz, befindet sich in Oberwaltersdorf unweit von Wien. Dort fehlen zwar ein paar der klassischen Kennzeichen einer Gated Community, doch werden diese durch entsprechende Adaptionen ersetzt. So gibt es kein verschließbares Tor oder sichtbares Wachpersonal am Eingang, und es sind nur Zäune oder dicht bewachsene Waldstücke, die dort die Grenzen bil- den. Der Charakter eines „echten“, geschlossenen Wohn- komplexes ist durch die unübersehbaren weichen Gren- zen trotzdem gewährleistet. Durch den räumlichen Abstand zur umliegenden Gegend, eine typisch modell- hafte Bauweise und die Anordnung der Häuser wird ge- konnt Abgeschiedenheit und Privatheit suggeriert. Gegenwärtig wird von einem Wiener Bauträger eine wei- tere Gated Community für noch sicherheitbewusstere Menschen geplant: Entstehen soll eine „echte“ Gated Community mit allen Raffinessen und typischen Merkma- len eines geschlossenen Wohnsiedlungskomplexes, mit Sicherheitspersonal, Zufahrtskontrollen und Videoüber­ wachung. Ob die Gated Community eine der dominanten Wohnfor- men der Zukunft in Europa sein wird, ist noch offen – si- cher ist, dass sie eine der zukunftsadäquateren Wohn­ formen für die zahlungskräftige Ober- bis Mittelschicht darstellt. Das, obwohl Studien belegen, dass die Grenzen der Gated Communities ihre Hauptfunktion – Sicherheit – oft nicht erfüllen: Die Siedlungen sind wegen der Mau- ern von außen uneinsichtig und deshalb sehr beliebte Ziele für größer angelegte Einbruchserien. Die wachsende Zahl an sicherheitssuchenden EuropäerIn- nen bringt neben dem Phänomen der Gated Communities weitere Transformationsprozesse in der europäischen Wohnlandschaft mit sich. Gegenüber der klar abgegrenz- ten Wohnsiedlung, der frei gewählten Lebensform inner- halb des persönlichen Wunschghettos – also der Commu- nity per Identitätsdefinition – steht die unfreiwillige Ghettoisierung, die zwar auch stark mit Identitätszu- schreibungen zusammenhängt, dies aber unter gegen- sätzlichen Bedingungen. (http://www.suedwind-magazin.at/grenzen-ein-mal-grenze- und-zurueck, gekürzt, Emanuel Danesch, 07/2017, abgeru­ fen am 5. 4. 2018) M2 Gated Communities in Europa M3 Bewaffnete Soldaten verlassen nach einer Razzia eine Gated Community in Cullacan, Mexiko. (Foto 2016) M4 Favela Alemao in Rio de Janeiro (Foto 2018) 1 Recherchieren Sie im Internet, welche Gated Commu­ nities es in Österreich neben der im Quellentext M2 erwähnten noch gibt. 2 Diskutieren Sie, welche Gründe Menschen dazu bewe- gen, sich räumlich von anderen Bevölkerungsgruppen abzugrenzen. 3 Erklären Sie anhand des Artikels M1, wie der Staat gezielt der Segregation entgegenwirken könnte. 4 Listen Sie die Vor- und Nachteile des Lebens in einer Gated Community auf. " } { " Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

RkJQdWJsaXNoZXIy ODE3MDE=