global 7. Geographie und Wirtschaftskunde, Schulbuch

102 Kompetenzorientierte Lernziele Entwicklung der österreichischen Bevölkerung darstellen Diagramme lesen und auswerten Mögliche soziale und ökonomische Folgen der Bevölke- rungsentwicklung beurteilen Natürliche Bevölkerungsentwicklung Weniger Geburten, immer ältere Menschen Die natürliche Bevölkerungsentwicklung oder Bevölke- rungsbewegung bezeichnet die Veränderung einer Bevölke- rung in Zahl und Zusammensetzung (= Altersstruktur) durch die Berücksichtigung aller Geburten und Sterbefälle innerhalb eines Landes. Die Geburtenbilanz umfasst die Zahl der Lebendgeborenen abzüglich der Zahl der Sterbe- fälle. Trotz der niedrigen Geburtenrate (= Anzahl der Kinder pro Frau) von 1,49 ist die Geburtenbilanz in Österreich in den letzten Jahren positiv ausgefallen (M2). 2016 wurden etwa 88 000 Kinder geboren, hingegen starben nur knapp 80 000 Menschen. Die meisten Geburten verzeichnete das Bundesland Wien, im Burgenland kamen die wenigsten Babys zur Welt. M1 Schneller demographischer Wandel Von Fertilitätsraten und komplexen Entscheidungen Geändert hat sich das Erstgebäralter, also das Alter, in dem Frauen ihr erstes Kind zur Welt bringen: Lag dieses 1985 noch bei 24 Jahren, ist es mittlerweile auf 29,1 Jahren gestiegen. Ebenso sind Frauen und Männer bei ihrer (ers- ten) Eheschließung mittlerweile älter: Waren Frauen 1950 noch 24,5 und Männer 27,1 Jahre alt, sind sie nun im Durchschnitt 30 (Frauen) bzw. 32,4 (Männer) Jahre. Diese Trends bestätigt auch Dr. Christine Geserick im Ge- spräch mit Schrödingers Katze. Die Soziologin forscht am Österreichischen Institut für Familienforschung der Uni- versität Wien zu Themen wie etwa der Sozialgeschichte der Familien in Österreich. „Längere Ausbildungszeiten und die berufliche Etablierung tragen dazu bei, dass viele Lebensereignisse, so auch die Heirat und eben Familien- gründung, eher später stattfinden“, erklärt Geserick. Muttersein wieder im Trend Doch welche Gründe gibt es überhaupt dafür, ob und wann Frauen Kinder bekommen? Inwiefern ist es in mo- dernen, industrialisierten Gesellschaften eine freie Ent- scheidung, Kinder zur Welt zu bringen? „Das kommt dar- auf an, wie man „frei“ definiert. Es gibt niemanden, der einem verbietet, Kinder zu bekommen“, erinnert Geserick. Es müssten die Voraussetzungen stimmen, jedoch werde es zum Beispiel nicht mehr gesellschaftlich geächtet, wann eine alleinstehende Frau ein Kind bekomme. Ist die moderne Frau Mutter oder Karrierfrau? Ob eine Frau ein Kind bekommt, bleibt weiterhin eine schwierige Entscheidung, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es noch immer überwiegend Frauen sind, die dann einen Großteil der sogenannten Reproduktions- arbeit übernehmen. Die durch Erwerbstätigkeit und Re- produktionsarbeit entstehende „Doppelbelastung“ sei weiterhin schwer zu schultern, meint Geserick. Waren Frauen traditionell für Heim und Kinder zuständig, sei im Zuge der Emanzipation die berufliche Verwirklichung der Frau in den Vordergrund gerückt. Das Idealbild Karriere- frau habe in den letzten Jahrzehnten zugenommen, je- doch werde nun ein Rollenbild der Frau als Mutter wieder verstärkt betont: „Das Bild der Frau als Mutter wird heute wieder stärker in den Vordergrund gerückt als zum Bei- spiel in den 1980er-Jahren.“ Die Mär vom Faktor Bildungsgrad Beim Thema Schwangerschaft rückt auch oft der Bil- dungsgrad der Frau in den Fokus. Erst kürzlich konnten Eva Beaujouan und ihr Team von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in einer Studie nachwei- sen, dass die Zunahme von höherer Bildung bei Frauen in Europa, die zwischen 1916 und 1965 geboren wurden, kei- nen allzu großen Einfluss auf den Geburtenrückgang hat- te. Christine Geserick meint, dass es Studien mit unter- schiedlichen Aussagen zu diesem Thema gebe. Feststellen lasse sich aber, dass höher gebildete Frauen meist später Kinder zur Welt bringen. Leicht steigende Fertilitätsraten Die Prognosen zur Fertilitätsrate in europäischen Län- dern lassen darauf schließen, dass in der Zukunft auch in Ländern wie Österreich oder Deutschland mehr Kinder zur Welt kommen werden. Die Statistik Austria nimmt an, dass die Fertilitätsrate in Österreich im Jahr 2030 auf 1,49 Kinder steigen wird. Auch in Deutschland bekommen seit 2012 Frauen wieder mehr Kinder. Im vergangenen Jahr ist die dort die Geburtenrate erstmals seit 30 Jahren wie- der auf 1,5 Kinder gestiegen. Das Österreichische Institut für Familienforschung nimmt an, dass bis zum Jahr 2075 die Fertilitätsrate auf 1,55 steigen wird, späte Mutterschaft liege dabei im Trend. (https://www.schroedingerskatze.at/von-fertilitaetsraten- und-komplexen-entscheidungen/, Barbara Forhinger, 7.11. 2016, abgerufen am 10.11. 2017) M2 Positive Geburtenbilanz 2016 Nur zu Prüfzwecken – Eigentum des Verlags öbv

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